Das Experiment
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Land: |
Deutschland |
Laufzeit: |
120 Minuten |
FSK: |
16 |
Starttermin: |
8. März 2001 |
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Genre: Thriller
Regie: |
Oliver Hirschbiegel |
Drehbuch: |
Mario Giordano, Christoph Darnstädt, Don Bohlinger |
Darsteller: |
Moritz Bleibtreu, Christian Berkel, Oliver Stokowski, Maren Eggert, Justus von Dohnanyi,
Edgar Selge, Andrea Sawatzki, Timo Dierkes, Nicki von Tempelhoff, Antoine Monot jr.,
Wotan Wilke Möhring, Philipp Hochmair, Lars Gärtner, Markus Klauk, André Jung,
Jacek Klimontko, Ralph Püttmann |
Kamera: |
Rainer Klausmann |
Schnitt: |
Hans Funck |
Musik: |
Alexander Bubenheim |
In der heutigen Zeit kommt es leider viel zu oft zu gewaltvollen Übergriffen, nicht zuletzt in den Staatsgefängnissen der verschiedensten Länder. Als immer völlig normal und ausgeglichen beschriebene Menschen drehen plötzlich durch und sind zu Handlungen fähig, die man ihnen nie zugetraut hätte. Mit diesem brisanten Thema beschäftigt sich Oliver Hirschbiegel in einem deutschen Thriller der Sonderklasse, der auf einem Buch von Mario Giordano beruht.
Bei einem Blick in die Zeitung wird Tarek Fahd (Moritz Bleibtreu) auf eine Annonce aufmerksam, in der nach 20 Freiwilligen für ein Experiment gesucht wird. Dabei soll in 14 Tagen eine Gefängnissituation simuliert werden. Die Testpersonen werden als Gefangene und Wärter eingeteilt und ihre Verhaltensweisen studiert. Kurz vor Beginn des Experiments trifft Fahd nach einem, zum Glück harmlos verlaufenden, Autounfall auf Dora (Maren Eggert) und beide verlieben sich sofort. Viel Zeit bleibt ihnen nicht, denn er verschwindet, ohne seiner Freundin etwas gesagt zu haben, in der Universität, in der das Experiment stattfinden soll. Fahd nimmt aber nicht einfach aus Spaß oder wegen der 4000 DM Belohnung teil, als Journalist verspricht er sich eine gute Story und ist von Anfang an überzeugt davon, sich nicht einfach unterzuordnen, sondern den Laden ein klein wenig aufzumischen. Er und elf andere Freiwillige werden den Rollen der Gefangenen zugeteilt. Die Regeln sind einfach: Sie haben sich den Befehlen der Wärter widerspruchslos zu fügen, anderenfalls drohen Strafen. Die 20 Männer befinden sich in einem fast vollständig Videoüberwachten Keller, der ganz genau wie eine herkömmliche Justizvollzugsanstalt aussieht.
Doch bereits am zweiten Tag scheint das Experiment aus den Rudern zu laufen. Dr. Jutta Grimm, die zusammen mit dem leitenden Professor Thon (Edgar Selge) für die Überwachung zuständig ist, drängt schon bald zum Abbruch, doch aufgrund der Einmaligkeit des Versuchs lehnt der Professor ihren Vorschlag ab. Unterdessen wird die Situation hinter Gittern immer unstabiler: Besonders Justizvollzugsbeamter Berus (Justus von Dohnanyi) zeigt nach der Provokation von Häftling 77 (wie Fahd jetzt nur noch genannt wird) immer mehr Gewaltbereitschaft. Während die Wärter auf ihre Autorität bestehen, beginnen die Gefangenen zunehmend gegen sie zu rebellieren. Als Nummer 77 zusammen mit dem Miteinsessigen 38 (Christian Berkel) und einer Wachperson nach fünf Tagen der Außenwelt mitzuteilen versucht, dass das Experiment abgebrochen werden muss, eskaliert die Situation. Folge sind Demütigungen, Gewalt und Schlimmeres…
Was teilweise völlig unbekannte Schauspieler in diesem Werk leisten, ist schon bemerkenswert. Star Moritz Bleibtreu überzeugt in der Hauptrolle eines anfangs fröhlich-aufsässigen Inhaftierten, der die ganze Situation kaum ernst zu nehmen scheint und sich dann zum Ziel unglaublicher Demütigungen entwickelt. In den langen Nächten des Gefängnisaufenthaltes liegt er oft da und denkt an seine noch sehr frische Liebe und ihre gemeinsamen Stunden. Dabei zieht Bleibtreu den Zuschauer unaufhaltsam in seinen Bann; man fiebert mit und ist nach einigen Reaktionen der Wärter ebenso geschockt wie Gefangener 77 selbst. Ebenso nennenswert sind aus dem Kreise der Inhaftierten Christian Berkel, der einen Wandel vom verschlossen-folgsamen Mann zum engsten Vertrauten von Tarek Fahd durchmacht. Auch die überzeugenden Leistungen von Oliver Stokowski und Wotan Wilke Möhring als gebrochene Gefangene sollen nicht unerwähnt bleiben. Vom Wachpersonal zeichnet sich besonders Justus von Dohnanyi aus, der dermaßen unsympathisch wirkt, dass der Zuschauer selber mit dem Gedanken spielt, in das Geschehen einzugreifen und ihm mit seinem eigenen Schlagstock Bekanntschaft machen zu lassen. Und genau das ist gewollt, und so ist es nicht zuletzt diesem Darsteller zu verdanken, wie glaubwürdig die gesamte Situation wirkt.
Kamera, Schnitt und Ton fügen sich perfekt in die Handlung ein. Schon zu Anfang wirkt fast alles sehr düster - eine Ausnahme machen hier die Liebesszenen zwischen Moritz Bleibtreu und Maren Eggert, bei denen man schon an ihren Blicken eine tiefe Zuneigung erahnt. Bei den Szenen im Gefängnis gelingt der Kontrast zwischen nervösen, spannungsgeladenen Momenten, vorübergehenden Ruhephasen, die wie die Ruhe vor dem Sturm wirken, enorm gewaltvollen und doch seriös gedrehten Übergriffen und den kleinen Lichtblicken der Erinnerung Fahds an seine Liebe. Gegen Ende folgen Kamerafahrten durch spärlich erleuchtete Gänge, schnell aufeinander folgende Schnitte und perfekt inszenierte Gefühlsmomente. So wirken die 120 Minuten auf den Zuschauer mitreißend und an manchen Stellen endlos gedehnt, da man sich durch die enorm realistische Darstellung schnell selber in die Rolle eines Häftlings fühlt.
Und wieder ist der Beweis eines guten deutschen Films vollbracht worden. So enorm beeindruckend, Furcht einflößend und perfekt inszeniert ist selten ein Thriller gelungen und dieser wird allen Zuschauern sicher eine Weile im Gedächtnis bleiben. Denn Story und Darstellung ergänzen sich perfekt. Es bedarf keiner Spezialeffekte, da die Handlung allein auf den Schultern fantastischer Darsteller ruht. So kommt keine Langeweile auf und zurück bleibt nur ein leicht verstörter Zuschauer. Denn dieser Film hinterlässt einen bleibenden Eindruck und zu zart besaitete Menschen sollten sich da auf einiges gefasst machen. Hier handelt es sich nicht um nettes kleines Popcornkino, dieser Film ist grandios.
Note: 1+
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