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Der Polarexpress



Land: USA
Laufzeit: 100 Minuten
FSK: 6
Starttermin: 25. November 2004

Genre: Weihnachts-Animation

Regie: Robert Zemeckis
Drehbuch: William Broyles jr., Robert Zemeckis
Darsteller: Tom Hanks, Nona Gaye, Peter Scolari, Eddie Deezen, Michael Jeter, Charles Fleischer, Chris Coppola, Julene Renee
Kamera: Don Burgess, Robert Presley
Schnitt: Jeremiah O'Driscoll, R. Orlando Duenas
Musik: Glen Ballard, Alan Silvestri








Morgen ist Weihnachten, deshalb wünsche ich allen Lesern dieser Kritik schon einmal ein frohes Weihnachtsfest und, da dies immer gerne in einen Topf geworfen wird, viel Glück und Gesundheit im Jahre 2005. Wer nun völlig entsetzt aufschreit "Was? Es ist schon wieder so weit?" und noch nach dem ultimativen Weihnachtsfilm für die ganze Familie sucht, dessen Überlegungen seien an dieser Stelle beendet. Denn die Geschichte eines kleinen Jungen, der den Glauben an den Weihnachtsmann verloren hat, wird jung und alt gleichermaßen begeistern. "Der Polarexpress" ist der Weihnachtsfilm dieses Jahres - viel besser als "Verrückte Weihnachten" und sogar dem unterhaltsamen "Bad Santa" überlegen.

Es ist der Abend vor Weihnachten. Die frohen Erwartungen an das Fest der Liebe sind riesig, nur ein kleiner Junge, dessen Name nie erwähnt wird, bildet eine Ausnahme: "Würde der Weihnachtsmann in einer einzigen Nacht überall erscheinen, müsste er sich schneller als das Licht bewegen". Das Problem liegt auf der Hand - der Junge hat den Glauben an den großen Mann mit weißem Bart verloren. Eine Stunde vor Mitternacht wird er wach, läuft aus dem Haus heraus und kann kaum glauben, was er da sieht: den Polarexpress. Abfahrt sofort, Ziel ist der Nordpol. So springt er also letzten Endes noch auf und begibt sich auf eine märchenhafte Reise, auf welcher er einige neue Freunde kennen lernen und manche schier unfassbaren Dinge erleben wird und welche ihn eventuell dazu bringt, seinen Glauben wieder zu finden.

Mit Worten lässt sich die erste Filmstunde nur schwer beschreiben, doch müsste man sie auf den Punkt bringen - der Begriff "großartig" spiegelt das Gesehene am Ehesten wieder. Auch wenn man es vielleicht nicht wahr haben möchte, der Siegeszug der Computeranimation wird fortgesetzt - und wie! "Performance Capturing" heißt das Verfahren, das neue Maßstäbe setzt. Sensoren an Körper und Gesicht der menschlichen Darsteller zeichnen deren Mimik und Gestik auf, anschließend werden die Daten an die Computer übermittelt und dort beliebig verwendet. Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen, ist schlichtweg sensationell. Die Detailgenauigkeit, mit der die animierten Figuren ausgestattet wurden, ist bemerkenswert: Sommersprossen, Wimpern, Haare, Augenbewegungen - alles, was man mal etwas genauer unter die Lupe nimmt, weiß zu überzeugen. Doch es sind nicht nur die am Computer entstandenen Figuren, die so toll aussehen, es sind auch alle anderen, nicht-"menschlichen" Animationen. In einer Szene verliert der kleine Junge eine Fahrkarte, deren Flug durch die überwältigende Winterlandschaft hervorragend eingefangen wird. In einer anderen Szene gerät das Tempo des Zuges außer Kontrolle, so dass er sich auf eine wahre Achterbahnfahrt begibt, welche so rasant und spektakulär ist, dass einen tatsächlich ein wenig das Gefühl beschleicht, selbst mitzufahren. Besonders atmosphärisch ist schließlich auch die Stadt am Nordpol gelungen, die in all ihrer Wärme erstrahlt und in der sich garantiert jeder Zuschauer in jenen Momenten gerne befinden würde.

Die Tatsache, dass gigantische Schauwerte allein noch keinen guten Film machen, muss die potentiellen Kinogänger dieses Filmes überhaupt nicht stören - atemberaubend die Effekte, faszinierend die Handlung, zumindest bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Die Reise des ungläubigen kleinen Jungen ist gleichzeitig eine große Entdeckungsreise, an der er den Zuschauer teilhaben lässt und die besonders während des Aufenthaltes im Polarexpress zu entzücken weiß. So trifft er zum Beispiel auf zwei merkwürdige Charaktere: Einer von ihnen ist der Schaffner, dessen Stimmungsschwankungen äußerst amüsant sind, der andere ist der geheimnisvolle Landstreicher, der sich auf dem Dach des Zuges ein kleines Feuerchen gemacht hat und dem Jungen gelegentlich etwas Gesellschaft leistet. Im Grunde ist der gesamte Polarexpress für ihn und den Zuschauer ein riesiger Abenteuerspielplatz, der so manche Überraschungen und Herausforderungen birgt.

Innere und äußere Werte dieser Reise zum Nordpol sind kaum zu übertreffen und hätten das Potential zum absoluten Hit, doch leider ist die Geschichte an dieser Stelle noch nicht beendet und es tritt das ein, was sich zuvor bereits an einigen wenigen Stellen angedeutet hat: Der Film wird doch recht langweilig und allzu berechenbar. Bereits in der grandiosen ersten Filmstunde muss man gelegentlich einige Szenen über sich ergehen lassen, die ganz klar einzig auf das jüngere Publikum zugeschnitten und deswegen nicht ganz so schön anzusehen sind, im hervorragenden Gesamtbild dieses ersten Abschnittes jedoch gnadenlos untergehen. Mit der Ankunft am Nordpol bietet sich dem Zuschauer jedoch nur noch wenig Neues: Das Bild wird oftmals durch Hunderte von Elfen bestimmt, was auf Dauer doch ziemlich monoton wirkt, und die Geschichte verliert etwas an ihrem Zauber, vielleicht dadurch, dass diese zuvor wenigen, liebenswerten Charaktere plötzlich von diesem Rummel am Nordpol überwältigt werden. Glücklicherweise bringt es der Film zu einem überaus vernünftigen Ende mit einer wirklich schönen Botschaft.

Ein weiterer positiver Aspekt zeigt sich darin, dass "Der Polarexpress" für ausnahmslos alle Altersgruppen geeignet und empfehlenswert ist. Es gibt nicht viele Filme jüngerer Vergangenheit, denen dieses Kunststück so bravourös gelungen ist. Da gibt es beispielsweise diesen überaus nervigen Jungen, der es schafft, mit jedem Satz, der seinen Mund verlässt, geringe Antipathien ihm gegenüber aufleben zu lassen. Den ganz kleinen Zuschauern nützt dies, da sie dadurch umso stärkere Sympathien für die Hauptcharaktere entwickeln können und die erwachsenen Zuschauer haben einfach ihren Spaß daran, da sie erkennen können, dass man diesen Charakter nicht allzu ernst nehmen sollte. Selbiges trifft auch auf den Schaffner zu, der einerseits die einzige wirklich dauerhaft präsente erwachsene Figur auf dieser Reise ins Ungewisse darstellt und andererseits durch seine herrlich verrückte Art begeistert. Überhaupt handeln sämtliche Charaktere verhältnismäßig glaubwürdig - für alle Altersgruppen, eine Tatsache, die dem Film eben hoch anzurechnen ist.

So ist also tatsächlich ein Weihnachtsfilm erschienen, den man ohne große Bedenken als einen überaus Guten seiner Art bezeichnen darf. Was sich dem Auge des Betrachters insbesondere während der Zugfahrt bietet, ist aller Ehren wert und in dieser Form sicherlich noch nicht auf der Leinwand zu sehen gewesen. Es ist natürlich etwas schade, dass dem Film im Schlussdrittel die Puste ausgeht. Dies ist schließlich auch der Grund dafür, dass keine bessere Wertung drin ist. Einem sehr guten Film darf es einfach nicht passieren, dass er sich eine halbstündige Auszeit nimmt, er muss sich über die gesamte Dauer auf hohem Niveau halten. Nichtsdestotrotz ist "Der Polarexpress" eine wirklich starke Weihnachtsmärchen-Animation, die sich jeder nur halbwegs weihnachtsfrohe Mensch zu Gemüte führen sollte. Warum also einen Weihnachtsfeiertag nicht mal mit der ganzen Familie im Kino verbringen?



Note: 2+



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