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Die Reise der Pinguine



Land: Frankreich
Laufzeit: 86 Minuten
FSK: ohne Altersbeschränkung
Starttermin: 13. Oktober 2005

Genre: Tier-Dokumentation

Regie: Luc Jacquet
Drehbuch: Jordan Roberts
Sprecher: Romane Bohringer, Charles Berling, Jules Sitruk
Kamera: Laurent Chalet, Jerome Maison
Schnitt: Sabine Emiliani
Musik: Emilie Simon, Alex Wurman








"Die Reise der Pinguine" ist einer dieser Filme, der schon Wochen vor Kinostart für Aufsehen sorgt und durch sämtliche Medien geistert: Berichte im Fernsehen; der Hinweis der "TV Spielfilm" auf die Sensation des Jahres; umfassende Rezensionen sowohl in den Tageszeitungen als auch im Internet und als ob das alles noch nicht genug wäre, widmet der "Stern" den Pinguinen in der aktuellen Ausgabe knapp 20 Seiten. Das alles hat natürlich auch seine Gründe: "Die Reise der Pinguine" zählt tatsächlich zu den großen Überraschungen des Kinojahres; ist vielleicht sogar die Überraschung schlechthin. In den Top30 der aktuellen US-Kino-Charts gibt es gerade einmal drei Filme, die bisher mehr eingespielt haben als die Pinguin-Doku. Zwei davon ("Charlie und die Schokoladenfabrik" und "Die Hochzeits-Crasher") gehören zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres überhaupt und sind deswegen eigentlich kein richtiger Maßstab. Nur eine Dokumentation konnte in den USA bislang einen größeren Erfolg verbuchen - es ist zu erahnen, dass es sich hierbei um Michael Moores "Fahrenheit 9/11" handelt. Und um noch einen allerletzten Fakt zu bringen, der von dem ungeheuren Erfolg dieses Films überzeugt: Zeitgleich mit "Die Reise der Pinguine" sind in dieser Woche in Deutschland unter anderem "Into the Blue", "A History of Violence" und "Wallace & Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" gestartet - wer von ihnen hierzulande das Rennen macht, wird sich erst nächste Woche zeigen, doch in den USA zeichnet sich bereits jetzt ab: Keiner der drei Konkurrenten kann den Pinguinen das Wasser reichen. Doch nun die wichtige Frage: Ist dieser ganze Rummel denn eigentlich gerechtfertigt?

Einer der oben genannten Quellen ist zu entnehmen, dass exakt 17 Pinguin-Arten existieren. "Die Reise der Pinguine" widmet sich einer Art; der des Kaiserpinguins. Er lebt in der Antarktis, hat mit Temperaturen von -50 Grad und Windstärken von 200 km/h zu kämpfen, legt unfassbare Entfernungen zurück und verbringt gut die Hälfte seines Daseins mit dem Kampf um das Leben seines Nachwuchses. Der französische Originaltitel lautet "La Marche de l'empereur", übersetzt: Der Marsch des Kaisers - sicherlich auch eine sehr treffende Bezeichnung. Der Marsch, beziehungsweise die Reise der Pinguine besteht aus verschiedenen Etappen. Noch vor dem Wintereinbruch brechen sie in Kolonien auf, wandern nicht selten 100 Kilometer und erreichen schließlich die "Oase der Liebe", so die Bezeichnung im Film. Dort sind die Pinguine noch ein wenig vor dem harten arktischen Winter geschützt und dort finden die Balz- und Paarungsrituale statt. Die Weibchen legen ihre Eier und übergeben es dem Männchen. Hier ist absolute Präzisionsarbeit gefragt, denn gelingt die Übergabe nicht und hat das Ei zu lange Kontakt mit der eisigen Oberfläche, bricht es auf und für die Eltern ist die Reise beendet.

Nach der erfolgreichen Übergabe begeben sich die Weibchen auf den Weg zurück zum Meer, um sich mit Nahrung zu versorgen, aber auch um den dann Geschlüpften eben diese zu bringen. In dieser Zeit verweilt das Ei in der Obhut der Männchen und der Kampf ums Überleben beginnt. Der polare Winter bricht herein und bringt eisige Temperaturen und Schneestürme mit sich. Die Männchen, mit ihrem Nachwuchs auf den Füßen, stellen sich alle ganz eng aneinander und müssen mehrere Monate ohne jegliche Nahrung auskommen. Einigen von ihnen gelingt dies nicht. Irgendwann schlüpft das Kind schließlich und die kritischen Tage beginnen, denn die Gefahren, die auf sie lauern, sind vielfältig. Ob Riesensturmvögel, der Hunger oder die letzten Nachwehen des Winters - nicht jeder der Neuankömmlinge auf dieser Welt übersteht diese Phase.

Im Grunde wurde über diesen Dokumentarfilm ja schon fast alles gesagt oder geschrieben. Auffällig daran ist als Allererstes, dass es sich nicht um eine Dokumentation im klassischen Sinne handelt. Wer ab und zu mal im Fernsehen eine der zahlreichen Tier-Dokus verfolgt, trifft da meistens auf eine ruhige Erzählerstimme, die alles schön sachlich erklärt, unterlegt mit, wenn überhaupt, meist eher ruhiger Musik. Auf beides trifft man hier nicht, denn "Die Reise der Pinguine" geht ganz neue Wege: In diesem Film machen sich Pinguin-Vati, -Mutti und Kind ihre eigenen Gedanken, kommentieren entweder ihre eigenen Aktivitäten oder informieren über die Besonderheiten ihrer Art im Allgemeinen. So sagt sich Vati beispielsweise immer wieder "Wir schaffen das" oder erklärt, dass es einige nicht verkraften, ihr Kind zu verlieren, und anschließend versuchen, sich das eines anderen Elternpaares zu schnappen, wodurch schon mal ein heftiger Kampf entsteht. Die Vor- und Nachteile dieser Vorgehensweise liegen auf der Hand: Einerseits wird der Informationsfluss dadurch natürlich etwas gehemmt (zwar werden Erklärungen geschickt eingebunden, sonderlich detailliert sind diese aber nicht), andererseits entsteht zwischen dem Zuschauer und den Tieren eine sehr starke Bindung. Derer wird man sich vermutlich gar nicht so richtig bewusst, da man "Die Reise der Pinguine" stellenweise mehr als einen gewöhnlichen Spielfilm erlebt, in dem man mit den Protagonisten mitfiebert, denn als einen Dokumentarfilm.

Auch bei der Musik werden die Meinungen sicherlich auseinander gehen, denn hier wechseln sich flotte Elektro-Rhythmen, in der französischen und deutschen Version gesungen von Emilie Simon, mit dramatischen und sehr gefühlvollen Stücken ab. In der US-Version scheint das alles ein wenig anders zu sein: Während in Deutschland drei verschiede Sprecher mitwirken, übernimmt dort Morgan Freeman diesen Part und sprach seinen gesamten Text übrigens an einem einzigen Tag. In jener Version ist auch Musik von Alex Wurman zu hören. Ob in Amerika nun ganz andere Texte und Klänge zu vernehmen sind, das ist den Medien leider nicht genau zu entnehmen. Zumindest sollte gesagt werden, dass die deutschen Stimmen fast überall ihr Fett abbekamen, das aber - wie ich finde - vollkommen zu Unrecht. Okay - vieles wirkt sehr dramatisiert, aber man sollte sich vielleicht noch einmal in Erinnerung rufen, welche Strapazen die Kaiserpinguine ein halbes Jahr auf sich nehmen, um Nachwuchs in die Welt zu setzen, welch unglaublichen Witterungsverhältnissen und Gefahren sie ausgesetzt sind und schließlich, dass viele von ihnen dem Winter zum Opfer fallen. Da stört es auch im Gegenzug nicht, wenn eine fröhlich-naive Stimme die Gedanken der Kleinen widerspiegelt. Die hier gezeigten Bilder belegen auf eindrucksvollste Art, dass in der Antarktis tatsächlich Jahr für Jahr Wunder stattfinden, wenn hier unter extremsten Bedingungen neues Leben entsteht. Da darf ein bisschen Kitsch oder Pathos doch auch mal erlaubt sein.

Regisseur Luc Jacquet ist mit diesem Film sicherlich ein kleines Kunststück gelungen. Zwar gehört er nicht zu den besten Filmen des Jahres und ist mit einer Dauer von 86 Minuten, inklusive Abspann, auch schon recht schnell wieder vorbei, doch ansonsten gibt es hier ganz einfach nichts zu bemängeln. Wer sich an die erwähnten Besonderheiten dieser Doku gewöhnt, auf den warten atemberaubende, süße, tragische, durch und durch beeindruckende Bilder und ein in seiner Machart sicherlich einmaliger Film. Wer Pinguine bisher nur als tollpatschige Langeweiler angesehen hat, sollte sich nun eines Besseren belehren lassen.



Note: 2+



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