Archiv


Kritiken

Kurzkommentare

Meine Meinung

News

Umfragen
Ein Freund von mir



Land: Deutschland
Laufzeit: 84 Minuten
FSK: ohne Altersbeschränkung
Starttermin: 26. Oktober 2006

Genre: Tragikomödie

Regie: Sebastian Schipper
Drehbuch: Sebastian Schipper
Darsteller: Daniel Brühl, Jürgen Vogel, Sabine Timoteo, Peter Kurth, Michael Wittenborn, Oktay Özdemir, Steffen Groth, Jan Ole Gerster
Kamera: Oliver Bokelberg
Schnitt: Jeff Harkavy
Musik: -








Als langweilig, ereignislos und unspektakulär würden ihn all die Blockbuster-Geschädigten wohl bezeichnen. In der Tat könnte Sebastian Schippers zweiter Film unauffälliger kaum sein, aber gerade das macht "Ein Freund von mir" zu einer kleinen Perle des Kino-Jahres 2006.

Karl (Daniel Brühl), dessen Arbeit kürzlich mit einem Preis ausgezeichnet worden ist, arbeitet bei einer Autoversicherung und wird von seinem Chef mit einer Art Undercover-Job vertraut. Er soll sich bei einer Autovermietung als Autowäscher und -fahrer engagieren und die dortigen Arbeitsabläufe analysieren. Dabei lernt er Hans (Jürgen Vogel) kennen, dem er mit einem wertvollen Tipp ebenfalls zu einem Job verhilft. Hans, in jeder Hinsicht das vollkommene Gegenteil von Karl, erweist sich für ihn schon bald als überaus nerviger Quälgeist, dessen Unbekümmertheit jedoch auch etwas Faszinierendes mit sich bringt. Als Karl dessen Freundin Stelle (Sabine Timoteo) kennen lernt, ist es zudem in dieser Hinsicht um ihn geschehen.

Überragend ist vor allem das, was die beiden Hauptdarsteller Daniel Brühl und Jürgen Vogel hier abliefern. Zu beurteilen, welcher von den Beiden der Bessere ist, ist unmöglich. Brühls Karl ist ein Mensch, sehr schüchtern im Umgang mit anderen, natürlich besonders Frauen. Er nimmt alles recht teilnahmslos hin, redet nicht viel. Überaus intelligent und im Job erfolgreich, jedoch seltsam gehemmt, wenn es um Team-Work geht. Der Typ, der aufgrund seiner verschlossenen Art nicht viele Freunde und den Sinn im Leben noch nicht gefunden hat. Anders Vogels Hans: Redselig, einfach gestrickt. Nach eigener Aussage absolut glücklich mit seinem Leben. Die besondere Leistung der beiden Darsteller zeigt sich darin, dass sie den Charakter ihrer Figuren weniger durch Worte, sondern vielmehr mithilfe ihrer Mimik und Gestik offenbaren. Sie spielen einfach so authentisch und bieten dem Zuschauer jeder Zeit Einblick in das Innenleben ihrer Figuren. Als Hans Karl beispielsweise auf einem Rückflug mit allerlei mehr oder weniger interessanten Geschichten quält, ist im Gesicht von Daniel Brühl gleichermaßen gespieltes Interesse aus Höflichkeit, das Genervte sowie die Frage "Warum erzählt mir der Typ das alles?" abzulesen. Auch spätere Nahaufnahmen beider Gesichter, für die sich Schipper sehr viel Zeit nimmt, sagen mehr als es Worte je könnten.

Die Leistung Schippers wiederum liegt im Speziellen in der Schaffung einer absolut glaubwürdigen Entwicklung der Beziehung dieser beiden so verschiedenen Männer sowie einer wundervollen Stimmung. Wenn man sich zu Beginn fragt, wie aus Hans und Karl innerhalb von 84 Filmminuten Freunde werden sollen, so erhält man im weiteren Verlauf eine sehr beeindruckende Antwort. Jede Szene und jeder Dialog ist durchdacht und trägt zur Entwicklung von so etwas wie einer Freundschaft bei. Selbst das Liebesdreieck wird so Kitschfrei behandelt wie man es sich für jeden Film wünschen würde, besonders jenen aus Richtung Amerika. Die Stimmung des Films zu beschreiben, fällt schwer. Dialoge wechseln sich mit eben jenen stimmungsvollen Passagen ab, in der Regel dargestellt mithilfe von Autofahrten und unterlegt von toller Musik. Auch dank der Darsteller entsteht einfach ein wundervolles Gefühl von Freundschaft und Freiheit, das man nicht sieht, sondern erlebt.

Dass "Ein Freund von mir" letztendlich nicht über den Status eines "kleinen, aber feinen Films" hinaus kommt, liegt an seiner sehr kurzen Laufzeit von 84 Minuten. Der Film animiert zum Lachen (meist unaufdringlich subtil), bewegt aber auch. Er stellt eine wirklich großartige Momentaufnahme für die Zeit während des Schauens dar, aber er ist eben nicht mehr. Er ruft nicht die ganz großen Gefühle hervor, bleibt nachträglich in Erinnerung oder bietet völlig neue Denk- und Lösungsansätze für Zwischenmenschliches. Doch nichtsdestotrotz ist "Ein Freund von mir" Kino der seltenen Sorte "aus dem Leben gegriffen" - und das ist wirklich keine hohle Phrase. Schippers nächster Film lässt hoffentlich keine weiteren sieben Jahre auf sich warten und Vogel und Brühl sind momentan mit das Beste, was Deutschland zu bieten hat. Welch ein Glück, dass Vogel dieses Jahr einen wahren Filmmarathon absolviert. Wunderbar gelungen ist im Übrigen auch die letzte Einstellung im Film, die Erinnerungen an die legendäre letzte Szene zwischen Bill Murray und Scarlett Johansson in "Lost in Translation" weckt.



Note: 2+



Start


zur Hauptseite

Intern


Forum

Gästebuch

Impressum