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Fahrenheit 9/11



Land: USA
Laufzeit: 122 Minuten
FSK: 12
Starttermin: 29. Juli 2004

Genre: Doku-Essay

Regie: Michael Moore
Drehbuch: Michael Moore
Darsteller: Michael Moore, Debbie Petriken
Kamera: Mike Desjarlais
Schnitt: Kurt Engfehr, Christopher Seward, T. Woody Richman
Musik: Jeff Gibbs








Vor etwas mehr als einem Jahr, als Michael Moore den Oscar für seine Doku "Bowling for Columbine" erhielt, nutzte er prompt seine Dankesrede für ein Plädoyer gegen den Irak-Krieg. "Shame on you, Mister Bush", Worte die um die Welt gingen. Mit seinem neuesten Werk "Fahrenheit 9/11" belässt er es jedoch nicht nur bei Worten, er liefert knallharte Fakten und Bilder. In den USA gelang dem Film als erster Dokumentarfilm überhaupt der Sprung auf Platz 1, die Einspielergebnisse ließen ihn zum Erfolgreichsten aller Zeiten aufsteigen. Bedenkt man zudem, dass "Fahrenheit 9/11" in deutlich weniger Kinos gestartet ist als potentielle Blockbuster, so zeigt sich dies als eine riesige Leistung.

Moore arbeitet die Ereignisse nun überwiegend chronologisch auf und präsentiert sie aus seiner Sichtweise. Alles beginnt mit einem Wahlbetrug, der George W. Bush den Einzug in das Weiße Haus ermöglichte. Während die Mehrheit aller Fernsehanstalten bereits von einem Sieg des Demokraten Al Gore in Florida und somit in dem entscheidenden Bundesstaat zu wissen scheint, existiert eine Gegenstimme, der sich plötzlich alle anderen anschließen. Es werden Verbindungen hergestellt und Fakten geliefert, die die Wahrscheinlichkeit des Betrugs immens verstärken, einen Beweis liefert Moore jedoch nicht, aber das kann man nun beileibe nicht erwarten. Es folgen Bilder der Amtszeit Bushs - die ihn beim Golf spielen zeigen. Dem schließt sich der Vorspann an, in dem Bush im Vorfeld einer Live-Übertragung aus dem Weißen Haus zu sehen ist, zum Scherzen aufgelegt. Diese Bilder wiederholen sich später, doch erst dann erkennt der Zuschauer, welchem Ereignis sie zuzuordnen sind.

Im Anschluss an den Vorspann sollte sich niemand wundern, dass die Leinwand schwarz bleibt, es ist beabsichtigt. Es bedarf jedoch keiner Bilder, jeder weiß, dass es sich nun um einen der schwärzesten Tage in der Geschichte der Vereinigten Staaten handelt. Klar, die Rede ist vom 11. September 2001, an dem zwei entführte Passagierflugzeuge in die gewaltigen Twins des World Trade Centers hineinrasten, sie zum Einsturz brachten und knapp 3000 Menschen ihr Leben dabei lassen mussten. Als Moore das Licht wieder anknipst, sind einzig verzweifelte Menschen zu sehen; Menschen in Panik; Menschen, die um ihre Angehörigen und Freunde trauern, die sich zu diesem Zeitpunkt in den Klauen dieser unbarmherzigen Todesfalle befinden, eben Menschen, die im Angesicht des Todes vollends den Boden unter den Füßen verlieren. Moore greift nun zu seinen gewagtesten Anschuldigungen, indem er mehrfach Verbindungen zwischen Familie Bush und Familie Bin Laden herstellt.

Dann wiederholen sich die Bilder aus dem Weißen Haus, in denen sich Bush ganz entspannt gibt. Man könnte meinen, er hätte frohe Botschaft zu verkünden. Inwiefern jedoch die Ankündigung des bevorstehenden Irak-Krieges als "frohe Botschaft" aufgefasst werden kann, darf jeder für sich entscheiden. Sonderlich schwer macht es Moore mit dieser Entscheidung hoffentlich keinem. Das eigentlich primäre Ziel Bush rückt nun etwas in den Hintergrund; der Irak-Krieg, die Soldaten und seine Auswirkungen stehen nun im Mittelpunkt. Zu sehen sind schockierende Bilder aus dem Irak, Einwohner kommen zu Wort und drücken ihre pure Verzweiflung aus. Zu sehen sind junge, tatenfreudige Soldaten, die offensichtlich ihren Spaß am Krieg haben. Zu sehen ist jedoch auch ein Soldat, der mit seiner Aussage, dass er mit jedem Menschen, den er tötet, ein Stück seiner Seele verliert, die andere Seite des Krieges offenbart.

Im letzten Teil seines möglichen dokumentarischen Todesstoßes zeigt Moore eine Frau, die zunächst stolz darauf ist, ihren Sohn in der Tradition ihrer Familie in den Krieg zu schicken. Als sie ihn jedoch verliert und dieser in seinem letzten Brief von der Sinnlosigkeit dieses Krieges berichtet, wandelt sich dieser Stolz in Wut. Wut auf George B. Bush. Sie kritisiert die naive Einstellung vieler Mitmenschen gegenüber dem Krieg, die sie nun endlich abgelegt hat und streitet sich auf offener Straße mit einer anderen Frau. In einer der großartigsten Momente des Films geht Michael Moore auf die Straße und fordert Abgeordnete dazu auf, ihre Söhne in den Krieg zu schicken. In seiner grandiosen Abschlusssequenz summiert er noch einmal alle Fakten zu einem zerstörenden, finalen Hieb, den er mit voller Wucht Richtung Bush schleudert.

Eines sollte jedem klar sein: Michael Moore schert sich einen Dreck um Objektivität, denn alles was er sagt, kann - nein - wird gegen Präsident Bush verwendet. Zum einen erhebt er allerlei Anschuldigungen, zum Beispiel, dass Bush die Sicherheitsstufe für terroristische Angriffe vor dem 11. September heruntergesetzt hat, dass er die Angst vor weiteren Anschlägen auf die USA innerhalb der Bevölkerung unnötig verstärkt hat, einzig mit dem Ziel, seine Macht zu stützen, aber natürlich auch, dass Bush einen Krieg führt, dessen Gründe nur Seifenblasen sind, die in der Luft zerplatzen. Allgemein formuliert wirft er ihm Inkompetenz und Handlungsunfähigkeit vor, wie er sie zum Beispiel in der Szene ausdrückt, in der Bush zu Besuch in einem Kindergarten ist und erfährt, dass "unser Land angegriffen wird". Die darauf folgenden sieben Minuten sitzt Mr. Präsident verstummt, geschockt, ratlos (?) vor einer Gruppe Kinder. Und Moore verwendet diese Situation gnadenlos gegen ihn. Wirft nicht ganz ernst gemeinte Fragen auf, die Bush in diesem Moment durch den Kopf gehen könnten.

In der ersten Filmhälfte hat man als Zuschauer sowieso einiges zu lachen. Aber nicht etwa, weil es so gnadenlos witzig ist, sondern es ist ein ungläubiges Lachen, ob der dargebotenen, schockierenden Szenen. Also sollte man vielleicht doch eher weinen? Egal. Viele Fakten stimmen jedoch nachdenklich, auch wenn man natürlich immer bedenken muss, dass sich Moore zu keinem Zeitpunkt um eine objektive Betrachtung bemüht. Klar existieren Verbindungen zwischen den Bushs und den Bin Ladens, klar lassen sich einige vielleicht zufällige Zusammenhänge ausmachen. Und an einige Vorwürfe, die er an Bush erhebt, lassen sich nach kurzem Nachdenken einige Abstriche machen. Wem eine zweite Sichtweise jedoch völlig egal ist und wer an Bush sowieso keinen guten Gedanken mehr verschwendet, wird brillant unterhalten.

Es sind sicherlich einige sehr bekannte Bilder zu sehen, was auch nötig ist, allerdings zeigt Moore auch viel Neues, besonders wenn er selbst auf die Straße geht, zum Beispiel, um in einem Eiswagen den Menschen den "Patriot Act" zu verkünden, einen Gesetzesentwurf, der unterzeichnet wurde, wobei ihn die große Mehrheit der Abgeordneten niemals zu Gesicht bekam. Moore wartet außerdem mit einigen netten Ideen auf, wie einem "Bonanza"-Verschnitt oder einem kurzen Interview mit Britney Spears und sorgt außerdem für eine tolle musikalische Untermalung.

Welche Rolle dieser Film nun im Wahlkampf spielt, ist wohl schwer einzuschätzen. Den überwältigenden Teil seiner Zuschauer wird er wohl sowieso in den Menschen finden, die bekennende Bush-Gegner sind. Positiv kann sich diese Doku aber sicher nicht für die Republikaner auswirken. Mit "Fahrenheit 9/11" hat Michael Moore einen bedeutenden Film geschaffen, den Bush-Gegner lieben werden, den Bush-Sympathisanten hassen werden und den neutrale Zuschauer wohl aufgrund seiner mangelnden Objektivität kritisieren dürften. Der Film richtet sich zudem an das einfache Volk, verzichtet auf größeren politischen Fachjargon und zeigt lieber einfache Menschen und ihre Schicksale, beziehungsweise, was sie zu sagen haben. Die Bewertung fällt aufgrund aller möglichen Sichtweisen und dem Bemühen um Objektivität schwer, allerdings sollte sie wohl bezüglich dessen ausfallen, als was dieser Film gedacht war. Und das ist eine Dokumentation, die vor allem unterhalten soll, viele giftige Pfeile Richtung Bush schießt, der aber letzten Endes ein Quäntchen Objektivität fehlt. Und die, so wie es momentan aussieht, vielleicht sogar auf gefälschten Fakten beruht. Das ist aber ebenso wenig bewiesen, wie irgendwelche Anschuldigungen, die Moore im Verlauf des Films erhebt. Wertungsrelevant ist dies deshalb nicht.



Note: 2+



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