Garden State
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Land: |
USA |
Laufzeit: |
102 Minuten |
FSK: |
12 |
Starttermin: |
26. Mai 2005 |
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Genre: Tragikomödie
Regie: |
Zach Braff |
Drehbuch: |
Zach Braff |
Darsteller: |
Zach Braff, Natalie Portman, Peter Sarsgaard, Sir Ian Holm, Rob Liebman, Method Man,
Jean Smart, Ann Dowd, Denis O'Hare, Michael Weston, Jim Parsons, Jackie Hoffman,
Amy Ferguson, Ato Essandoh, George C. Wolfe |
Kamera: |
Lawrence Sher |
Schnitt: |
Myron Kerstein |
Musik: |
Chad Fisher |
Mit schöner Regelmäßigkeit tauchen Menschen nahezu aus dem Nichts auf, reißen ein komplettes Projekt an sich und liefern einfach so ein kleines Meisterwerk ab. Zach Braff ist einer dieser Menschen. Ein ordentliches Drehbuch zu schreiben, ist sicherlich schon harte Arbeit. Nebenbei noch Regie zu führen, erschwert das Ganze wahrscheinlich zusätzlich ungemein. Dann auch noch die Hauptrolle zu spielen - das ist ein absoluter Mammutjob, der auch mal leicht in die Hose gehen kann. Doch nicht bei Braff, dem Doktor aus der etwas unterschätzten TV-Arzt-Comedy-Serie "Scrubs", in der man Humor, aber auch ernstere Töne wieder findet. Vielleicht hat er sich ein wenig davon inspirieren lassen, doch die Hauptsache ist im Wesentlichen, dass er uns diesen Film geschenkt hat.
An Andrew (Zach Braff) zieht das Leben völlig vorüber. Teilnahmslosigkeit prägt sein Dasein. Sein Schlafzimmer ähnelt einem Krankenhauszimmer, komplett in weiß gehalten und nur spärlich eingerichtet, und seinen Job in einem asiatischen Restaurant ist er auch so gut wie los. Von seinem Vater erhält er wieder einmal einen dieser Anrufe, den er sowieso nicht beantwortet, doch eines unterscheitet diesen von all den anderen: die Nachricht vom Tod seiner Mutter. Zur Beerdigung kehrt der 26-Jährige in seine Heimatstadt im Bundesstaat New Jersey, dem Garden State, zurück. Er trifft alte Freunde, Verwandte, besucht eine Party - doch das alles lässt ihn vollkommen kalt. Selbst an der Beerdigung nimmt er emotionslos teil. Doch es folgt der Moment, der sein Leben grundlegend verändern wird. Der Moment, in dem ein etwas desorientierter Hund dafür sorgt, dass sich zwei im Grunde sehr unterschiedliche Menschen kennen lernen. Der Moment, in dem Andrew eigentlich das erste Mal beginnt zu leben.
Ja, unterschiedlicher könnten die beiden Charaktere nun wirklich kaum sein. Die Familienverhältnisse von Andrew als nicht ganz intakt zu beschreiben, wäre mit Sicherheit etwas untertrieben. Sein Vater, gleichzeitig sein Psychiater, verabreicht ihm starke Medikamente, die die Ursache dafür sind, dass das gesamte Leben an ihm vorbeizieht. Seine Mutter ist querschnittsgelähmt und hat ihn in seiner Kindheit mit ihren Depressionen gequält. Nun ja, und seine sonstige Verwandtschaft, die ist wahrscheinlich noch am Normalsten. Fertigt Bekleidung im selben Stoff an, den zuvor die Mutter für die Tapezierung benutzt hat. So etwas Ähnliches wird sicherlich jeder kennen. Und nicht zu letzt hat ihn ein einschneidendes Erlebnis im Alter von neun Jahren maßgeblich verändert. Dieses hier zu verraten, würde jedoch die gesamte Stimmung einer Szene im Film ruinieren.
Sam (Natalie Portman) ist die Person, die in dem bestimmten Moment sein Leben verändert. Ihre Schwäche ist die, dass sie eine notorische Lügnerin ist. Vielleicht ist ihr Name ja gar nicht Sam, wer weiß das schon. Sie wohnt bei ihrer Mutter und ihrem farbigen Bruder, hat allerlei Haustiere daheim und ist im Allgemeinen sehr lebensfroh. Sie lacht genau so gerne wie sie auch mal weint und hat eine ganz eigene Methode gefunden, sich in bestimmten Momenten einzigartig vorkommen zu können (na klar, ihr wisst schon, wird nicht verraten).
Was die Beiden so unterscheidet, wird in jener brillanten Szene ganz besonders deutlich, in der Sam ihren toten Hamster vergräbt. Andrew erzählt von der Beerdigung seiner Mutter und dass es ihm einfach nicht gelungen ist, zu weinen, doch da ist es Sam, die dies sichtlich mitnimmt und auch über ihren toten Hamster will sie keine Witze hören. Dass der Tod im Leben von Andrew sowieso keine bedeutende Rolle spielt, zeigt sich zu Beginn des Films ganz hervorragend, als er von einem Flugzeugabsturz träumt. Um sich herum lauter panische, schreiende Menschen und ihn beschäftigt in diesem Moment vor allem der Gedanke, etwas frische Luft zu schnappen. Im weiteren Filmverlauf tauchen viele weitere solche Beispiele auf, in etwa, wenn er auf der bereits erwähnten Party ist, auf einem Sofa sitzt und wieder einmal das ganze muntere Treiben an ihm vorbei rauscht. Was in diesem Fall einfach genial dadurch gezeigt wird, dass das Geschehen um ihn herum gerafft wird. Der erzeugte Effekt ist somit noch viel größer. Es gibt zig Szenen, in denen genau dieser Effekt erneut zum Vorschein kommt. Trotzdem möchte ich auf keine weiteren eingehen, weil sie so vielleicht von ihrer Kraft etwas verlieren könnten.
Auf zwei Aspekte jedoch sollte unbedingt noch eingegangen werden: "Garden State" ist nicht nur ein hervorragender Film, sondern das vielleicht beste Musikvideo aller Zeiten. Die Songauswahl für diesen Film ist schlichtweg sensationell. Augen, Ohren, Herz - keiner von ihnen darf sich hier beschweren, vernachlässigt zu werden. In diesem Fall ist es sicherlich eine Überlegung wert, sich eventuell den Soundtrack zu besorgen. Außerdem darf man feststellen, dass Zach Braff sein wunderbares Drehbuch nicht nur exzellent verfilmt hat, sondern auch seinen Hauptcharakter mit Bravour spielt. Um noch einmal auf besondere Menschen zurückzukommen: Es gibt einfach jene, beispielsweise auch Bill Murray, bei denen eine lange Kameraeinstellung, nur auf deren Gesicht, über alles andere herausragt. Weil sie das Spiel mit der Mimik einfach perfekt beherrschen. Natalie Portman steht Braff da in nichts nach. Von einer überzeugenden Darbietung ihrerseits bin ich sowieso ausgegangen, aber so authentisch wie sie ihre Sam in diesem Film spielt - das ist einfach weltklasse. Glücklicherweise stimmt zwischen Beiden auch die Chemie und man ist am Überlegen, ob man schon einmal ein süßeres Filmpärchen gesehen hat, wenn sich Sam und Andrew gerade in den Armen liegen.
"Garden State" ist humorvoll, aber nicht albern. Es ist tragisch, aber nicht todtraurig. Es ist romantisch, aber nicht kitschig. Es regt zum Nachdenken an und trifft mitten ins Herz. Und es verdeutlicht, wie groß doch der Unterschied selbst zwischen einem guten Hollywood-Blockbuster und solch einem Film ist. Statt einer 2 gibt es eine 1, aber im Endeffekt sind es doch Welten. "Garden State" sehr ähnlich sind Filme wie "Lost in Translation" und "Vergiss mein nicht". Alle drei Filme leben von durch und durch glaubwürdigen Charakteren, großartigen Darsteller-Paaren und Musik, die allein einen schon fast zum Weinen bringt. Doch "Garden State" ist besser als "Lost in Translation", weil die Charaktere noch näher am wirklichen Leben sind. Wahrscheinlich ist "Garden State" sogar besser als "Vergiss mein nicht", in diesem Fall weil die Geschichte als Ganzes lebensechter ist. Eines steht fest: Zach Braff feiert ein sensationelles Regie-Debüt. Ich habe dieses Jahr noch keinen besseren Film im Kino gesehen. Bitte mehr davon!
Note: 1
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