House of Flying Daggers
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Land: |
Hongkong / China |
Laufzeit: |
120 Minuten |
FSK: |
12 |
Starttermin: |
6. Januar 2005 |
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Genre: Action-Drama
Regie: |
Zhang Yimou |
Drehbuch: |
Li Feng, Zhang Yimou, Wang Bin |
Darsteller: |
Andy Lau, Zhang Ziyi, Takeshi Kaneshiro, Song Dandan |
Kamera: |
Zhao Xiaoding |
Schnitt: |
Cheng Long |
Musik: |
Shigeru Umebayashi |
Merkwürdige Zufälle gibt es manchmal im Leben. Am 8. Januar 2004 ist in den deutschen Kinos "Last Samurai" gestartet - eine gefühlvolle Geschichte über Krieg, Ehre und Freundschaft. Ein Jahr später, fast auf den Tag genau, stürmt nun "House of Flying Daggers" die Kinos - ein Film, der im gleichen Genre angesiedelt ist, eine ähnliche Story bietet, jedoch ein ganzes Jahrtausend früher spielt. Interessant ist die Tatsache, dass beide Filme ihre besten Momente auf völlig unterschiedliche Art und Weise erleben. "Last Samurai" bietet hervorragend inszenierte Actioneinlagen, die denen aus "House of Flying Daggers" jedoch nicht ansatzweise das Wasser reichen können. Dieser wiederum enttäuscht als Drama, wohingegen "Last Samurai" zu punkten vermag. Eines erstaunt jedoch noch viel mehr: Eine Hollywood-Produktion geht gegen eine Asiatische, die im Grunde ein ähnliches Thema behandelt, als letztendlich klarer Sieger vom (Schlacht)Feld.
Im Jahre 859 steht die mächtige Tang-Dynastie vor dem Zerfall. Schuld daran trägt ein Kaiser, der unfähig ist, die immer größer werdende Anzahl an Widerstandsgruppierungen niederzuschlagen. Eine der meist Gefürchteten nennt sich "Fliegende Messer", wobei es den kaiserlichen Truppen zunächst gelungen ist, deren Anführer zu beseitigen. Doch schon hat sich ein Neuer an die Spitze gesetzt und es gilt, auch diesen aus dem Weg zu räumen, wozu er jedoch zunächst erst einmal enttarnt werden muss. Die beiden Polizisten Leo (Andy Lau) und Jin (Takeshi Kaneshiro) sehen sich diesem Problem gegenüber und haben auch schon eine passende Idee: Leo soll sich als Feind der Dynastie ausgeben und die gefangen gehaltene Mei (Zhang Ziyi), eine blinde Tänzerin und vermutlich die Tochter des getöteten ehemaligen Anführers der "Fliegenden Messer", zum Schein befreien, ihr Vertrauen gewinnen und sich schließlich direkt zu dem Anführer der Rebellen führen lassen. Auf ihrer Flucht sieht sich vor allem Leo gleich mehreren Problemen gegenüber: Er muss seine Tarnung stets aufrecht erhalten, dabei die Angriffe der kaiserlichen Truppen abwehren und schließlich auch noch verhindern, sich in die bezaubernde Mei zu verlieben, was sich als gar nicht so einfach erweißt…
Eigentlich war ja von "House of Flying Daggers" nicht mehr und nicht weniger als ein kleines Meisterwerk zu erwarten, jedenfalls wenn man nach den Meinungen einiger Kritiker geht. So mancher konnte seine Bewunderung gar nicht recht "in Worte fassen", an anderer Stelle klang es so, als müsste man sich auf den besten Film seit Jahren gefasst machen, für den einfach sämtliche Superlative aus der Mottenkiste gezaubert werden dürfen. Letzten Endes behielten jedoch all jene bescheidenen Wesen Recht, die auf die unübersehbaren genialen Voraussetzungen hinwiesen, den Film jedoch an seiner Liebesgeschichte scheitern sahen.
Eines sollte gleich erwähnt werden: Sämtliche physikalische Gesetze existieren hier nicht, gibt es einfach nicht, werden wieder einmal vollkommen über den Haufen geworfen. Wer also schon immer einen Gräuel gegen diese Sorte asiatischer Kampffilme hegte, wird sich an "House of Flying Daggers" sicherlich nur sehr wenig erfreuen. So unangenehm unrealistisch wie in "Tiger & Dragon" geht es allerdings wiederum nicht zu: Während man sich in diesem Film gleich in den Anfangsminuten, in jener Verfolgungsjagd über die Dächer, mehrmals die Haare raufen muss, weil die dünnen Seile, an denen die Protagonisten hängen, nur allzu offensichtlich sind, fällt dieses Manko bei "House of Flying Daggers" nur in zwei Szenen geringfügig negativ auf: Zum einen als ein Sprung in die Höhe über mehrere Meter die Fähigkeiten des menschlichen Körpers etwas überschreitet und zum anderen, als die Widersacher der Flüchtigen regelrecht durch die Baumwipfel schweben. Woran man sich ansonsten stören könnte, sind Gegenstände, deren Flugbahn doch etwas verwundet, sowie Messer, die ein merkwürdiges Eigenleben entwickeln. Die größten Nörgler werden noch tausend weitere kleine Details finden, die auf jene Art und Weise so niemals funktionieren könnten, doch um es auf den Punkt zu bringen: All das stört überhaupt nicht. Denn all das dient nur einem höheren Zweck: der Ästhetik.
Und ästhetisch geht es zu wie in wenigen anderen Filmen zuvor: Die Kämpfe beispielsweise sind schlichtweg atemberaubend. Größere Massenszenen gibt es keine, das Geschehen konzentriert sich im Wesentlichen auf Leo und Mei, so dass der Zuschauer stets den Überblick behält. Spektakuläre Kampfeinlagen, irrsinnige Kamerafahrten, Zeitlupen, akustische Geniestreiche: Hier verschmelzen teilweise sämtliche Elemente zu einem meisterhaften Ganzen. Immer wieder überrascht der Film mit kleinen, aber feinen Aktionen, die beim Zuschauer für einen Moment erst einmal den Mund offen stehen lassen. So zum Beispiel, wenn sich Mei mit vier Angreifern herumschlägt und Leo aus der Ferne vier Pfeile blitzschnell hintereinander abfeuert, die Kamera diesen in Zeitlupe folgt und dann schließlich einfängt, wie die vier Angreifer von der Wucht des Einschlags zurückgeschleudert werden. Die Palette an ausgezeichneten Ideen erscheint so immens riesig: Da wird in Bambuswäldern gekämpft und die Bäume hoch und runter geklettert, da stehen sich Leo und ein weiterer Kämpfer in einer Schneelandschaft gegenüber, die nicht nur an "Kill Bill" erinnert, sondern ihn auch in den Schatten stellt, und da fliegt die blinde Mei durch die Lüfte, dass nicht nur ihren Widersachern schwindelig wird.
Und immer mit an Bord: die kongeniale Kameraarbeit, die wir Zhao Xiaoding verdanken dürfen. Pfeile, Bohnen, Messer, Bambusstöcke: Wenn irgendetwas über weite Strecken durch die Gegend Richtung menschliches Wesen fliegt, ist der Zuschauer ganz nah dabei. Manchmal verstummt bei einem Flug eines Gegenstandes das im Hintergrund ablaufende Geschehen, so dass dem Zuschauer zum Beispiel nur das Pfeifen eines Messers in der Luft zu Ohren kommt. Und als ob das noch nicht ausreichen würde, präsentiert sich "House of Flying Daggers" dermaßen farbenfroh, dass einem schon mal fast die Augen herausfallen. Wunderschöne Landschaften und Kontraste, brillant inszenierte Kämpfe und eine Kamera, die - und das ist beileibe keine Übertreibung - ihresgleichen sucht und vermutlich kaum finden wird, machen "House of Flying Daggers" zu einem berauschenden Fest der Sinne. Und wer in diesen Momenten noch über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten nachdenkt, ist einfach nur eines: selber schuld, ein in diesen Momenten einzigartiges Wunderwerk zu verpassen.
Gerne hätte ich an dieser Stelle ein Fazit gezogen und spekuliert, dass der beste Film des gesamten Jahres womöglich schon in der ersten Woche angelaufen ist, doch das wäre dem Leser dieser Kritik gegenüber schlichtweg eine Lüge. Nach etwas mehr als einer Stunde kann man förmlich miterleben, wie die Qualität des Filmes plötzlich in den Keller sinkt. Die Protagonisten befinden sich gerade in jenem Kampf in den Bambuswäldern, in denen so überragend spektakulär gekämpft wird, als einige etwas unglaubwürdige Ereignisse ablaufen. Mit den tollen Kämpfen ist es nun größtenteils vorbei, sieht man einmal vom Finale ab, und auch die Liebesgeschichte zwischen Leo und Mei, die sich zuvor noch recht amüsant und sympathisch gestaltete, wird plötzlich in ganz andere Bahnen gelenkt. Schuld daran sind einige mehr oder weniger überraschende Storywendungen, wobei sich eine von ihnen schon zu Beginn der Films andeutet. Einige andere hingegen sind zugegebenermaßen recht gelungen, zwischen den drei Hauptakteuren Leo, Jin und Mei entsteht jedoch plötzlich ein Gefühlswirrwarr, das nicht mehr so recht nachvollziehbar erscheint und zudem mit der Zeit fast unerträglich nervt. Viel zu viel Bedeutung will Regisseur Zhang Yimou einigen Szenen beimessen, dabei fehlen ihm jedoch die Ideen, dies durchzusetzen - ein bisschen dramatische Musik und vor Klischees triefende Dialoge reichen da halt nicht aus. Zudem erscheint es so, als würde sich vieles einfach nur noch wiederholen, man befindet sich praktisch in einer Endlosschleife, die Schicksale der Charaktere sind einem mit der Zeit egal, man hofft, dass von irgendwoher endlich ein Messer fliege und den Film zu dem zurückführe, was ihn zuvor so großartig dastehen ließ. Und tatsächlich wird zumindest diese Bitte erfüllt…
Unter diesem enttäuschend schwachen Teil des Films müssen auch die Schauspieler leiden. Wie soll man Leistung zeigen, wenn einem das Drehbuch schwache Charaktere vorsetzt - eine Problematik, mit der die drei Darsteller Andy Lau, Zhang Ziyi und Takeshi Kaneshiro zu kämpfen haben. In dieser Phase geben sie allesamt kein sonderlich glückliches Bild ab, während der furiosen Kämpfe wiederum füllen sich ihre Blicke mit Leben und ziehen den Zuschauer magisch an. Dass Zhang Ziyi immer wieder ein hübsches Bild abgibt, schadet dem Gesamteindruck sicherlich auch nicht.
Im Laufe des Films erlebt man ein kleines Gefühlswirrwarr. Anfängliche Skepsis weicht Begeisterung über die Kreativität dieser Kämpfe und schließlich Wut darauf, dass der Film irgendwann in eine Sackgasse rennt und nicht mehr herausfindet. Die Lovestory war von Beginn an sehr schlicht konzipiert, gestört hat das jedoch nicht im Geringsten. Doch dann will Yimou plötzlich zeigen, dass er nicht nur kämpfen lassen, sondern auch große Gefühle zeigen kann. Und das geht, so sehr das auch schmerzen mag, total in die Hose. Ein potentielles Meisterwerk beraubt sich vollkommen unnötig seiner Qualität und ergibt am Ende nicht mehr als gehobene Durchschnittskost. Wer den Kinosaal nach vorhin genannter Szene verlässt, tut sich wohl selbst einen riesigen Gefallen. Die erste Halbzeit im Duell gegen "Last Samurai" geht eindeutig an "House of Flying Daggers", doch den längeren Atem hatte dieses Mal Hollywood.
Note: 2
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