Knallhart
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Land: |
Deutschland |
Laufzeit: |
99 Minuten |
FSK: |
12 |
Starttermin: |
9. März 2006 |
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Genre: Sozial-Drama
Regie: |
Detlev Buck |
Drehbuch: |
Zoran Drvenkar, Gregor Tessnow |
Darsteller: |
David Kross, Jenny Elvers-Elbertzhagen, Erhan Emre, Oktay Özdemir, Kida Ramadan,
Arnel Taci, Kai Michael Müller, Hans Löw, Jan Henrik Stahlberg, Amy Mußul, Georg Friedrich,
Marc Zwinz, Henriette Müller, Eva Löbau, Fabian Krüger, Stephan Grossmann, Roland Florstedt,
Franziska Jünger, Stefan Konarske, Roman Kaminski, Christian Ulmen |
Kamera: |
Kolja Brandt |
Schnitt: |
Dirk Grau |
Musik: |
Bernd Wrede |
Statistiken über den Alkohol-, Tabak- und Haschisch-Konsum von Jugendlichen werden regelmäßig veröffentlicht und sind aus diesem Grund wohl jedem bekannt. Dass man sich mit diesen Problemen beschäftigen muss, liegt auf der Hand, doch ist es vor allem ein weiter Missstand, der auch in Deutschland Sorgen bereitet: Gewalt an Schulen. Detlev Buck, unter anderem Regisseur von "Männerpension", hat sich dieser sehr sensiblen Thematik angenommen, sie stellenweise sicher etwas auf die Spitze getrieben, aber wohl gerade deswegen auch einen Film abgeliefert, der wach rüttelt.
Im Leben des 15-jährigen Michael (David Kross) ändert sich schlagartig alles. Gemeinsam mit seiner Mutter Miriam (Jenny Elvers-Elbertzhagen) wird er von deren Liebhaber aus dessen Haus geschmissen und zieht nun in den Berliner Armenbezirk Neukölln - das genaue Gegenteil von seinem vorherigen Wohnort. Schon in den ersten Minuten in seiner neuen Klasse wird ihm klar, dass er hier nicht so schnell neue und vor allem viele Freunde finden wird. Die einzigen, die ihm zur Seite stehen, sind Crille (Arnel Taci) und Matze (Kai Michael Müller), doch vor Erol (Oktay Özdemir) und seiner Gang können sie ihn nicht beschützen. Diese sind so freundlich und lassen Michael immerhin die Wahl: aufs Übelste verprügelt zu werden oder regelmäßig Schutzgeld in Höhe von 50 Euro zu zahlen. Eine ungeahnte Perspektive ergibt sich allerdings, als er den Drogendealer Hamal (Erhan Emre) kennen lernt, der ihn als Kurier einstellt: Ware abliefern, Kohle einsacken. Zwar verdient er ordentlich Geld dabei, lernt aber auch menschliche Abgründe kennen.
Wenn man ein Dorf-Gymnasium (anders kann man es einfach nicht bezeichnen) besucht hat, fällt es sehr schwer, das in "Knallhart" Gezeigte als Realität und Alltag zu akzeptieren. Natürlich bekommt man die eine oder andere Prügelei - besser: Rauferei - mit, sieht die Auswirkungen des "Mobbing", doch Zeuge des gezielten Zusammenschlagens, also der vorsätzlichen Körperverletzung, oder des Schutzgelderpressens bin ich nie geworden. "Knallhart" spielt nicht auf dem Dorf, sondern wird schon auf dem Filmplakat als "Großstadtfilm" angepriesen. Man kann nur hoffen, dass Michael einen Extremfall darstellt - hinsichtlich der "Karriere" als Drogenkurier sowieso, doch auch im Hinblick auf die gewalttätigen Attacken.
Die Intensität des Gezeigten ist bedrückend hoch, so dass einige Szenen ein wirklich unangenehmes Gefühl in nahezu allen Regionen des Körpers verursachen. Sprache und Charaktere scheinen wie aus dem wahren Leben gegriffen - manchmal am Rande der Selbstparodie, doch dieser Spagat wird letztendlich gemeistert. In seinen besten Momenten geht "Knallhart" richtig unter die Haut: Wenn sich Michael in seiner neuen Klasse umschaut - seine Sitznachbarin mit einem blauen Auge, anderen muss der Lehrer mit der Ausbürgerung drohen, um sie zu disziplinieren, wieder andere werden bestimmt durch Blicke der Gleichgültig- und Perspektivlosigkeit. Oder als er eine Familie beliefert: Der Mann sieht aus wie ein, zugegebenermaßen etwas klischeehafter Super-PIMP, die Frau hockt völlig stoned im Sessel und die jugendliche Tochter genehmigt sich erst einmal eine Dosis - in diesem Moment fragt sich Michael wohl auch, was er dort eigentlich macht. Den Höhepunkt findet "Knallhart" in seiner vorletzten Szene, die sich schier endlos in die Länge zieht, noch einmal ein richtig ungutes Gefühl beim Publikum hinterlässt und mit der Detlev Buck gleichzeitig noch einmal ein klares Statement abgibt, das jeder verstehen sollte. Begleitet wird der Film immer wieder durch sicherlich gewöhnungsbedürftige, aber durchaus passende Hard Rock- und Heavy-Metal-Musik, die den Zustand der totalen Bewusstlosigkeit gewissermaßen simuliert.
Als sehr interessant gestaltet sich ein Blick auf die Darsteller-Liste. Mit David Kross fiel die Wahl des Hauptdarstellers auf einen ziemlichen Nobody, der seine Aufgabe mehr als zufrieden stellend meistert und sich in Zukunft sicherlich über einige Angebote freuen darf. Nicht weniger interessant der Auftritt von Frau Elvers-Elbertzhagen, die erstmalig beim Verlassen einer Badewanne in diesem Film zu sehen ist und somit die Aufmerksamkeit des halben Kinopublikums sicher hat. Schauspielerisch offenbart sie in der Folge einige Schwächen, lässt jedoch das Positive überwiegen und verleiht ihrem Charakter noch genügend Profil.
Einem heiklen Thema hat sich Detlev Buck in "Knallhart" gewidmet. Doch anstatt nur ein wenig an der Oberfläche zu kratzen, ist er tief in die Thematik eingedrungen und gibt dem Zuschauer mit seinem Film zu denken. Logisch - nicht jeder 15-Jährige endet als Drogenkurier und schon gar nicht in Deutschland. Doch dass vor allem die Ansätze, also die Gewalt an Mitschülern, alles andere als aus der Luft gegriffen sind und keine absolute Ausnahme darstellen, zeigen schon die zahlreichen vorhandenen Organisationen für Gewaltprävention. Zudem dramatisiert Buck nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss, und vertraut auf seine authentisch wirkende Geschichte, die einen manchmal zum Lachen bringt, während gleichzeitig das Entsetzen Einzug erhält.
Note: 2+
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