Last Samurai
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Land: |
USA |
Laufzeit: |
154 Minuten |
FSK: |
16 |
Starttermin: |
8. Januar 2004 |
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Genre: Historien-Action-Drama
Regie: |
Edward Zwick |
Drehbuch: |
John Logan, Marshall Herskovitz, Edward Zwick |
Darsteller: |
Tom Cruise, Ken Watanabe, Hiroyuki Sanada, Tony Goldwyn, Timothy Spall, Billy Connolly,
Koyuki, Shichinosuke Nakamura, Shun Sugata, Seizo Fukumoto, Masato Harada, Shin Koyamada,
William Atherton, Scott Wilson, Togo Igawa |
Kamera: |
John Toll |
Schnitt: |
Steven Rosenblum, Victor Du Bois |
Musik: |
Hans Zimmer |
Woran erkennt man einen ausgezeichneten Film? Vielleicht an den Bauchschmerzen und -krämpfen, die einen plagen, wenn man den Kinosaal nach Filmen mit hoher Lachanfallgarantie verlässt? Oder an den abgekauten Fingernägeln, die unter nervenaufreibenden, gruseligen und höllisch spannenden Thrillern und Horrorfilmen leiden müssen? Oder ist es nicht doch eher die Tatsache, dass man Angst davor hat, dass jemand ins Zimmer kommen könnte und sieht, welch erbärmliches und verheultes Bild man doch in gewissen Momenten abgibt? Ist die letzte Theorie zutreffend, so muss man "Last Samurai" zweifelsfrei zu den ausgezeichneten Filmen zählen.
Zentraler Punkt der Handlung ist Captain Nathan Algren (Tom Cruise), ein Bürgerkriegsveteran, den im Jahre 1876 das Gewissen plagt und der dem Alkohol verfallen ist. Dementsprechend peinlich fällt auch eine seiner Reden aus, in der er dem Volke vom Sieg Bericht erstatten soll. Wenig später unterbreitet ihm jedoch der verhasste Colonel Bagley (Tony Goldwyn), unter dessen erbarmungslosem und kaltblütigem Kommando er stand, ein Angebot, das ihn nach Japan führen soll. Dieses steht kurz davor, mit den USA ein weitreichendes Waffenabkommen zu unterzeichnen und befindet sich zudem in einer Phase, in der neue technische Errungenschaften das Land dominieren und umkrempeln. Doch Katsumoto (Ken Watanabe) und seine treuen Gefolgsleute, alle samt Samurai, sind Kaiser Meiji (Shichinosuke Nakamura) ein Dorn im Auge und müssen ein für allemal zerschlagen werden. Aus diesem Grund soll Nathan die kaiserlichen Truppen, bestehend aus Bauern und Handwerken, auf Vordermann bringen und ihnen den Umgang mit der Waffe lehren. Obwohl die Männer bei Weitem noch nicht reif für die große Schlacht sind, werden sie in den Kampf gegen die zahlenmäßig unterlegenen Samurai geschickt - und scheitern. Nathan gerät dabei in Gefangenschaft.
Als er wieder zu sich kommt, macht man ihm zunächst erst einmal verständlich, dass eine Flucht für ihn nicht in Frage kommt - Schuld ist der Winter. Dazu muss sich Nathan allerdings nicht wirklich veranlasst sehen, da er außerordentlich gut behandelt wird. Taka (Koyuki) heißt jene fürsorgliche Frau, die ihn mit Speisen und Getränken versorgt, und auch mit Katsumoto versteht er sich von Tag zu Tag besser. Und allmählich geraten seine Vorstellungen von Disziplin und Ehre ins Wanken - so etwas wie diese eigentlich friedliebenden Menschen hat er in seinem Leben noch nicht gesehen. Er macht sich mit ihren Sitten und Bräuchen vertraut, erlernt ihre Sprache und übt sich in ihrer Kampfeskunst - ohne Pistolen und Gewehre, dafür mit Schwertern, Pfeilen und purer Geisteskraft und Willensstärke. Seine Sympathien für dieses Volk, aber auch für Taka, verstärken sich zunehmend, aus Feinden werden Freunde und eines wird klar - wenn es zum finalen Kampf zwischen der kaiserlichen Armee und den Samurai kommt, wird er an ihrer Seite kämpfen.
Es fällt schwer, den Film anteilmäßig einem bestimmten Genre zuzuordnen. Bürgerkrieg und Aufstände in Japan erschaffen einen historischen Hintergrund, so zu sagen einen Rahmen, innerhalb dessen sich im Film das Augenmerk auf zwei andere Schwerpunkte richten kann: spektakuläre Action und ein todtrauriges Drama, wobei die Mischung aus Beiden nicht besser hätte ausfallen können. Niemals wird zu lange gekämpft, andererseits beginnt auch die Handlung zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise zu langweilen. Ist mal etwas zu wenig los, entfacht auch schon bald ein wilder Kampf. Verantwortlich für diese perfekte Mischung sind die Drehbuchautoren John Logan, Marshall Herskovitz und Edward Zwick, der zugleich Regie führte. Edward Zwick, was kennt man denn so von ihm? Eines seiner Werke, das an dieser Stelle als Vergleich angeführt werden soll, ist das um gleich mehrere Klassen schlechtere "Ausnahmezustand", das jedoch letzten Endes weniger an der Regie Zwicks, sondern vielmehr am schwachen Drehbuch scheiterte.
Nun jedoch präsentieren die bereits genannten Autoren eine Vorlage, die im Zusammenspiel mit Zwicks gekonnter Regie ein richtiges Highlight ergibt. An der Optik von "Last Samurai" lassen sich wahrlich nicht die kleinsten Mängel ausmachen. Die Schlachten sind trotz teilweise enormer Truppenstärke angenehm übersichtlich, intelligent inszeniert und aufgebaut und mit der nötigen Dynamik versehen, damit sie in der Lage sind, den Zuschauer zu fesseln. Natürlich dürfen auch die üblichen belebenden Elemente nicht fehlen, wie zum Beispiel Zeitlupen, Rückblenden über einen kürzeren Zeitraum oder geschickter Wechsel von Kameraperspektiven - mal Großaufnahme vom Schlachtfeld, mal der Blick fürs Detail. Keinesfalls wirkt dies jedoch so, als ob es wahllos in den Film integriert wurde, nur um zu zeigen, über welche stilistischen Mittel Zwick verfügt. Alles passt, alles macht Sinn, alles erfüllt einen bestimmten Zweck. Gut gemacht, Herr Zwick.
Dass man sich an der bestechenden Optik erfreuen kann, liegt natürlich vor allem daran, dass die Geschichte, die hier über zwei Stunden erzählt wird, zu gefallen weiß und einige Haken schlägt. In der ersten halben Stunde ist von den Samurai nicht wirklich etwas zu sehen. Nathan bildet die japanische Armee aus, kämpft noch mit seinen Depressionen bezüglich des Bürgerkrieges und findet demzufolge keinen wirklichen Seelenfrieden, keine wirkliche Erfüllung in dieser Arbeit. Die Samurai werden einzig als eine Gruppe Wilder hingestellt, die eine Eisenbahn überfallen haben und die Sicherheit des Staates gefährden. Doch die Schlacht gegen sie endet in einem Desaster und sowohl Nathan als auch der Zuschauer wechseln die Seiten, denn in der folgenden Filmstunde ist wiederum vom modernen Japan nichts mehr zu sehen. Und je mehr man von der Lebensweise der Samurai erfährt und miterlebt, desto unverständlicher erscheint es, dass man sie eben noch selbst als blutrünstige Barbaren betracht hat. Nicht nur Nathan ist beeindruckt, auch der Zuschauer muss ganz einfach tief greifende Sympathien für diese kleine Gruppe von Menschen entwickeln. Nach dieser Stunde bekommt man erstmals wieder etwas vom Kaiser und seinem Volk zu sehen und ist erstaunt, wie fremd einem deren Lebensweise, die doch eigentlich viel mehr der Eigenen ähnelt, plötzlich erscheint. All diese relativ modernen Waffen und diese nun deutlich größere Armee, all dies wirkt nun so fremd. Aus der Moderne ist ein Ort geworden, den man augenblicklich verlassen möchte, um in die Heimat der Samurai zurückzukehren. Es ist wirklich bemerkenswert, wie schnell und nahezu unterbewusst dem Zuschauer plötzlich eben Vertrautes unangenehm erscheint.
Neben Regie und Drehbuch sollte ein weiterer Baustein, der "Last Samurai" zu dem macht, was es letztendlich ist, nicht unerwähnt bleiben: die fantastische musikalische Untermalung Hans Zimmers. Gerade sie ist wichtiger Bestandteil einer überragenden Szene am Ende des Filmes, die eigentlich all das zu Ende bringt, was in den zwei Stunden zuvor mühsam erarbeitet wurde: Die finale Schlacht geht in die entscheidende Phase. Auf der einen Seite stehen des Kaisers Truppen, ihnen entgegen reiten die letzten, übrig gebliebenen Samurai auf ihren Pferden, darunter auch Katsumoto und Nathan, in ihren Augen liegt die pure Willenskraft, diesen Kampf nicht unbedingt siegreich, aber mit Würde und Ehre zu Ende zu führen. Doch ihr Versuch endet in einem gnadenlosen Gemetzel. Die hochmodernen Waffen ihrer Kontrahenten geben mehrere Hundert Schuss pro Minute ab und kennen kein Pardon. Das Gesamtbild, das sich dem Zuschauer bietet, ist einfach erschütternd, niederschmetternd, desillusionierend. Er erlebt einen ungleichen Kampf, eine schmerzliche Niederlage. Beinahe lockerleicht bedienen die japanischen Truppen ihre Waffen, die einfach alles niedermähen, was ihnen entgegenkommt. Pferde stürzen zu Boden, Menschen werden durchlöchert. Alles in Zeitlupe. Im Hintergrund der monotone Klang der todbringenden Waffen. Aber auch der bereits erwähnte fantastische Sound von Hans Zimmer.
Was diesen Moment so unendlich traurig macht, auch jetzt gerade, im Rückblick wieder, ist nicht nur die großartige Inszenierung, sondern vor allem die Tatsache, dass diese Szene im Grunde als Sinnbild für die Gesellschaft, ja die gesamte Menschheit steht. Wir lernen Menschen kennen, die ganz genau wissen, was es mit Werten wie Ehre, Moral und Disziplin auf sich hat. Die der Überzeugung sind, dass der Tod Wille des Schicksals ist und deren Wille wiederum stärker ist als sonst irgendetwas. Menschen, Kämpfer, die anders sind, deren Mut und geistige Kraft jedoch ganz einfach umwerfend ist. Und was steht ihnen in Form des modernen Japans gegenüber? Innakzeptanz, Intoleranz, Verachtung, Hohn, Abneigung gegenüber dem Fremden, dem Anderen. Pure Arroganz. Der Glaube daran, dass nur man selbst ein bedeutsames Wesen ist. Zu Beginn begegnet man genau dieser zweiten Kategorie, jedoch ohne es zu wissen. Anschließend lernt man die Erste kennen, doch erst beim Aufeinandertreffen beider werden einem doch die gravierenden Unterschiede bewusst. Im Finale treffen sie aufeinander und genau in dem Moment, in dem die Waffen eben dieses Massaker anrichten, wird einem bewusst, dass dieser Film ein ungelogenes Spiegelbild der Realität ist. Da mag es manchem unrealistisch erscheinen, dass Katsumoto, von mehreren Kugeln getroffen, unbeirrt seinen Weg weiter reitet, anstatt vom Pferd zu kippen, was genau genommen ja auch nicht so unberechtigt ist, doch ungeachtet dessen ist diese Szene so ungemein wichtig und aussagekräftig. Katsumoto reitet und reitet, wehrt sich gegen die Niederlage, überschreitet seine Grenzen, doch stürzt letzten Endes dann doch zu Boden. Und warum? Weil unsere Welt nun mal genau so aussieht. Dieser einer Ritt Katsumotos offenbart das deutlicher als es irgendeine andere Szene jemals könnte. Dies macht "Last Samurai" sicherlich nicht zu einem vordergründig gesellschaftskritischen Werk, aber man erkennt in einigen Szenen eben genau das wieder, was einem Tag für Tag ein bisschen die Freude raubt.
Natürlich kann man keinen Steven Seagal oder Arnold Schwarzenegger auf dieses Pferd setzen und von ihnen verlangen, diese Botschaft zu vermitteln. Nein, da müssen schon echte Schauspieler ran und das sind in erster Linie selbstverständlich Tom Cruise und Ken Watanabe. Obwohl Cruise seinen Ruf in den letzten Jahren bei vielen Kritikern verbessert hat, werden seine Leistungen immer noch nicht angemessen gewürdigt. Unbestritten lassen sich in seiner Laufbahn auch ein paar Gurken ausmachen, aber wer hat die nicht? Dem gegenüber stehen echte Highlights als Auftragskiller ("Collateral"), Sex-Guru ("Magnolia"), Flüchtiger vor dem perfekten System ("Minority Report") und potentieller Geisteskranker ("Vanilla Sky"), in denen er seine Klasse unter Beweis stellen konnte. "Last Samurai" ist ein weiterer Höhepunkt in seiner Karriere. Acht Monate körperliche Ertüchtigung und Training in asiatischer Kampfkunst zahlen sich aus. Leidenschaftlich spielt er seine Rolle des zunächst alkoholabhängigen, später jedoch geistig gewandelten Bürgerkriegsveteranen. Ken Watanabe bietet ihm erfreulicherweise starke Paroli, beide ergänzen sich ideal. Nathan ist zu Beginn doch sehr impulsiv, während Katsumoto immer den ruhigen Pol darstellt, was Watanabe auch hervorragend herüberbringt. Sie schaffen es, dass dem Zuschauer derer beiden Schicksale niemals egal sind.
Wirkliche Schwächen besitzt dieser Film nicht. Überraschungsarmut wäre vermutlich der schlimmste Fehler, den man diesem Film unterstellen könnte. Aber wer braucht schon Überraschungen, wenn es so spektakulär und tragisch zugeht? Gelegentlich agieren einige Charaktere vielleicht etwas verwunderlich, zum Beispiel der Kaiser am Ende des Filmes. Irgendwie erscheinen einige Szenen, als würden sie in jedem anderen Film ziemlich klischeehaft wirken, aber in diesem überaus glaubwürdig, beispielsweise jener Ritt Katsumotos. Aber gerade aus dem Grund, dass die Mentalität der Samurai eben eine andere ist und sich hinter jeder Szene eigentlich mehr als nur eine kleine Geste verbirgt, stört das überhaupt nicht - im Gegenteil - passt einfach wunderbar. "Last Samurai" war der ideale Auftakt ins Kinojahr 2004, besser wurde es nur äußerst selten. Fantastische Action, eine berührende, emotionale Geschichte und weiterhin viele Elemente, die noch gar nicht erwähnt wurden: Schnitt, Kamera, Kostüme, Requisiten, um nur einige zu nennen. In diesem Film passt einfach alles. Das Rad wird nicht neu erfunden, aber so verdammt ehrlich und herzergreifend ist Hollywood selten zu erleben.
Note: 1
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