Sin City
|
Land: |
USA |
Laufzeit: |
124 Minuten |
FSK: |
18 |
Starttermin: |
11. August 2005 |
|
Genre: Comic-Action
Regie: |
Robert Rodriguez, Frank Miller, Quentin Tarantino |
Drehbuch: |
Frank Miller, Robert Rodriguez |
Darsteller: |
Clive Owen, Mickey Rourke, Bruce Willis, Jessica Alba, Elijah Wood, Rosario Dawson,
Benicio Del Toro, Brittany Murphy, Michael Clarke Duncan, Michael Madsen,
Josh Hartnett, Carla Gugino, Jaime King, Nick Stahl, Devon Aoki, Alexis Bledel,
Marley Shelton, Rick Gomez, Powers Boothe, Rutger Hauer, Jude Ciccolella, Jesse De Luna,
Tommy Flanagan, Sherrell Murphy-Ramos |
Kamera: |
Robert Rodriguez |
Schnitt: |
Robert Rodriguez |
Musik: |
Robert Rodriguez, John Debney, Graeme Revell |
Willkommen in Sin City - der Stadt, die die Sünde wahrlich in ihrem Namen trägt. Hier werden Probleme noch mit Waffengewalt gelöst, Städte von Huren, Auftragskillern und korrupten Cops regiert und stehen Folter und Mord noch an der Tagesordnung. "Sin City" ist im Kern eine Comic-Verfilmung, doch mit Genre-Kollegen wie "Spider-Man" oder "X-Men" hat dieser Film nichts, aber auch rein gar nichts gemein. "Sin City" ist mit ziemlich großer Sicherheit der diesjährige Schlag in die Magen aller Meanstream-Liebhaber. Und wer damit etwas anfangen kann, was wohl bloß auf Kenner der Comics zutreffen wird: Dieser Film basiert auf den drei Episoden "The Hard Good-Bye", "The Big Fat Kill" und "That Yellow Bastard" sowie der Kurzgeschichte "The Customer is Always Right".
Da die Kurzgeschichte kaum der Rede wert ist, kommen wir gleich zu Episode Nummer 1: Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht Marv (Mickey Rourke); ein Kerl, den man nicht unbedingt zum Freund haben möchte, sieht man einmal von seiner beachtlichen Statur ab. Sonst zeichnet sich dieser Kerl eher durch psychopathische Anfälle aus und schreckt auch nicht davor zurück, im Hause Gottes Blut zu vergießen. Im Film wird gesagt, er sei einfach im falschen Jahrhundert gelandet und würde zum Beispiel als Gladiatorenkämpfer eine tolle Figur abgeben. Für andere Menschen empfindet er in der Regel keine Gefühle, doch als ihm der Mord an der Hure Goldie (Jaime King) in die Schuhe geschoben wird, mit der er zuvor die Nacht seines Lebens verbracht hat, begibt sich Marv auf einen Rachefeldzug und räumt jeden aus dem Weg, der sich ihm entgegenstellt.
Die zweite Episode handelt von Dwight (Clive Owen) und einer ganzen Bande von Huren, darunter deren Anführerin Gail (Rosario Dawson) und ihre beste Kämpferin Miho (Devon Aoki), den uneingeschränkten Herrschen des Viertels. Jedoch unterläuft ihnen ein schwerwiegender Fehler und ein regelrechter Krieg droht auszubrechen. Zu guter letzt wird uns die Episode von Hartigan (Bruce Willis), dem wohl einzigen Cop in Sin City, der noch Anstand hat, Nancy (Jessica Alba), einer Stripperin, und dem Yellow Bastard (Nick Stahl), der sich zwar noch als Mensch bezeichnen darf, aber eigentlich nicht mehr allzu viel mit einem gemeinsam hat, präsentiert. Hier geht es im Wesentlichen darum, dass Hartigan Nancy vor dem Bastard beschützen muss. So weit ein kleiner Einblick in die Stadt der Sünde, in der man alles finden kann, wenn man nur durch die richtige Seitenstraße geht.
Ursprünglich wollte Frank Miller, Schöpfer der Comics, ja niemanden an sein Werk heranlassen. In den frühen 90ern hatte er nur allzu schlechte Erfahrung mit missglückten Versuchen einer Verfilmung gemacht. Robert Rodriguez jedoch, selbst ein großer Fan, hatte klare Ziele. Mit den Darstellern Josh Hartnett und Marley Shelton verfilmte er Anfang 2004 im Geheimen die Kurzgeschichte "The Customer is Always Right". Würde diese nur wenige Minuten lange Episode Miller zusagen, so sollte sie den Auftakt in den "Sin City"-Film bilden. Wenn nicht, sollte er sie behalten und seinen Freunden zeigen. Miller war begeistert und so bildet nun also genau diese Szene den Beginn von "Sin City". Doch damit nicht genug. Rodriguez wollte den Film nicht nur inszenieren, sondern Miller als Co-Regisseur dabei haben. Doch genau dies, also die Beteiligung von zwei Regisseuren an einem Film, verbietet die "Director's Guild of America", deren Mitglied Rodriguez war. Kurzerhand trat er aus und das Projekt konnte in Angriff genommen werden. Ein wirkliches Drehbuch wurde nicht verfasst, stattdessen hielten die Original-Comics von Frank Miller als Vorlage her. Aus diesem Grund gilt "Sin City" als erste Comic-Verfilmung, die 1:1 umgesetzt wurde. Rodriguez wollte seinen Film nicht als Adaption, sondern als Übersetzung verstanden haben.
Ganz zu Ende ist die Entstehungsgeschichte an dieser Stelle jedoch noch immer nicht. Da man nun schon zu zweit an diesem Projekt arbeitete, würde ein dritter Regisseur wohl kaum noch stören und so wurde kurzer Hand Quentin Tarantino als "Special Guest Director" mit an Bord geholt. Dieser brachte dann gleich mal noch ein Schwert aus "Kill Bill: Volume 1" mit, das auch in diesem Film zum Einsatz kommt. Tarantino ließ sich seine Arbeit übrigens einiges kosten - sage und schreibe einen Dollar! Eine Gegenleistung für Rodriguez' Engagement in "Volume 2". Nach Begutachten des Films habe ich mich übrigens mal darüber informiert, welche Szene denn nun auf das Konto des Herren Tarantino geht und ich war erstaunt, dass es sich nicht um die von mir vermutete Szene handelt. Seine Szene ist die Autofahrt von Dwight und seinem Begleiter. Doch auch wenn hier noch zwei weitere Regisseure zum Einsatz kommen, ist "Sin City" trotzdem die beeindruckende Arbeit des Herren Rodriguez - denn hinter Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt und Musik ist jedes Mal sein Name zu lesen.
"Sin City" zeichnet sich durch drei Dinge aus. Beginnen wir mal beim Negativen: Die Story gibt, das muss man einfach mal so sagen, nicht wirklich viel her. Die Geschichten der drei Episoden sind allesamt im Grunde sehr schnell erzählt und irgendwelche Überraschungen wird man hier wohl kaum vorfinden. Im Gegenteil: Ab und zu wird "Sin City" sogar ein wenig berechenbar. Dies alles wird einem jedoch während des Filmgenusses vielleicht gar nicht mal so klar. So gelingt es den beiden Regisseuren, ihren Film komplexer wirken zu lassen als er es denn eigentlich ist: viele Charaktere, die in die Handlung eingebunden werden; flottes Erzähltempo; drei verschiedene Episoden, die das Aufkeimen von Langeweile verhindern, und die Tatsache, dass man doch das Gefühl hat, dass diese Episoden vieles gemein haben, auch wenn dies an sich eigentlich nicht der Fall ist. An zwei Handlungsorten treffen sie sich, das war es aber auch schon. Doch dadurch, dass alle Episoden die gleiche kompromisslose Härte anschlagen, wirkt "Sin City" am Ende dann doch wie ein ganzer Film. Doch bei diesem Film länger über das (Nicht)Vorhandensein einer funktionierenden Handlung zu sprechen, wäre doch ein wenig albern, denn dies ist nicht der Grund dafür, dass er in die Kinogeschichte eingehen wird.
1999 ist mit "Matrix" ein Film in die Kinos gekommen, der als Inbegriff der Coolness steht und eine Art optische Revolution bedeutete. Nun, im Jahre 2005, ruft "Sin City" die nächste Revolution aus. Hierbei handelt es sich nicht nur um den coolsten Film der letzten Jahre, sondern vor allem um einen visuellen Meilenstein, der den Stempel "einzigartig" verdient. Wie Rodriguez und Miller mit ihrer stylishen Schwarz-Weiß-Optik arbeiten, grenzt an schlichter Genialität und setzt im Bereich "Comic-Umsetzung" neue Maßstäbe. Es sind immer wieder kleine Momente, wenn das Geschehen zum Beispiel zweidimensional (also im Film, auf der Leinwand sowieso, schon klar) wiedergegeben wird oder gelegentlich einfach geniale Farbkontraste in Erscheinung treten. Und ich muss gestehen: Man kann es wirklich nicht beschreiben, man muss es ganz einfach mal gesehen haben.
Sehen sollten diesen Film jedoch wirklich nur Kinogänger, die mit Gewalt umgehen können. Denn "Sin City" ist in diesem Bereich wirklich knallhart. Da werden Gliedmaßen mit allen möglichen Gegenständen abgeschossen, abgetrennt und herausgerissen, Menschen überfahren, in die Luft gesprengt, ausgepeitscht, zerstückelt, gefressen und verprügelt, und einige andere Dinge angestellt, die mir momentan gerade nicht einfallen. Aber es geht ganz schön zur Sache - das ist sicher. Unterlegt wird diese Gewaltorgie mit einem Humor, der makaberer wohl kaum sein könnte: Tote "erwachen zum Leben"; Menschen, die für tot gehalten werden, melden sich noch einmal zurück, um ein "War das schon alles?" zum Besten zu geben, und andere, von Pfeilen Durchbohrte, merken erst einmal in Seelenruhe an, dass dies kein schöner Zustand sei. "Sin City" schrammt an einigen Stellen wirklich haarscharf an der Selbstparodie vorbei, wobei ich persönlich den Humor genau im richtigen Maß empfunden habe. Für andere wird er jedoch genau das sein, was der ganze Film sowieso schon ist - reine Geschmackssache.
Was "Sin City" schließlich auch noch zu einem Highlight macht, ist das unglaubliche Star-Aufgebot, allen voran Clive Owen, Bruce Willis und Mickey Rourke, den drei Hauptakteuren ihrer jeweiligen Episoden. Ich könnte nun auf jeden Einzelnen eingehen und besondere glanzvolle Momente aufzählen, ich könnte aber auch einfach sagen: Was jeder von ihnen hier leistet, ist absolut sensationell. Und dies trifft ohne Ausnahme auf alle weiteren Darsteller zu, die hier zum Einsatz kommen. Einzig Jessica Alba erweckt zunächst den Eindruck, irgendwie nicht in diesen Film passen zu wollen, was sich jedoch in "ihrer" Episode sofort wieder legt. Wer übrigens den Kinogang antritt, um von Jessica Alba mehr nackte Haut zu sehen als gewöhnlich, muss an dieser Stelle enttäuscht werden. Und denkt nun bitte nicht, dass ich mit dieser Erwartungshaltung in den Film gegangen bin… Nackte Haut gibt es im Übrigen trotzdem zu bestaunen. Jessica Alba hat sich auf ihre Rolle mit dem Besuch einiger Strip-Lokale vorbereitet und anschließend - so wollte es Rodriguez - ganz ohne Choreograph getanzt. Wenn man sich nun abschließend überlegt, dass auch Größen wie Christopher Walken, Willem Dafoe, Steve Buscemi und Michael Douglas Rollen angeboten wurden, dann wäre dieser Film vor Stars wohl aus allen Nähten geplatzt.
"Love it or hate it" - ein Satz, den man im Zusammenhang mit "Sin City" recht häufig liest - und das hat auch durchaus einen guten Grund. Er ist in Schwarz-Weiß gehalten, setzt auf viel Gewalt und erzählt, wenn man ehrlich ist, keine wirklich gute Geschichte - dies sind alles Tatsachen, die man ihm anlasten könnte, beziehungsweise von denen man sich abgestoßen fühlen könnte. Man muss aber im Gegenzug anerkennen, dass es einen Film wie "Sin City" noch nicht gegeben hat. Es hängt alles davon ab, wie sehr man sich von der Optik dieser Comic-Umsetzung faszinieren lässt und ob man auch mal bereit ist, sich auf etwas Neues, sicherlich auch Gewöhnungsbedürftiges, einzulassen. Ich habe es getan und krame deswegen nun die Superlative heraus: "Sin City" ist einer der besten Filme des Jahres, einer der coolsten Filme der letzten Jahre und die wohl beste und vor allem echteste Comic-Umsetzung aller Zeiten. "Sin City" ist einzigartig, außergewöhnlich und revolutionär. Noch. Denn "Sin City 2" wird gedreht und "Sin City 3" ist angekündigt. Und eines ist wohl klar: Für die beiden Nachfolger, aber auch für alle anderen Filme, gelten von nun an andere Maßstäbe.
Note: 1
|