Vergiss mein nicht!
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Land: |
USA |
Laufzeit: |
108 Minuten |
FSK: |
12 |
Starttermin: |
20. Mai 2004 |
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Genre: Romantische Tragikomödie
Regie: |
Michel Gondry |
Drehbuch: |
Charlie Kaufman |
Darsteller: |
Jim Carrey, Kate Winslet, Kirsten Dunst, Elijah Wood, Tom Wilkinson, Mark Ruffalo,
Thomas Jay Ryan, Jane Adams, David Cross, Ryan Whitney, Lola Daehler, Debbon Ayer,
Deirdre O'Connell |
Kamera: |
Ellen Kuras |
Schnitt: |
Valdís Óskarsdóttir |
Musik: |
Jon Brion |
Nehmen wir das Beispiel "…und dann kam Polly". Dies ist eine durchschnittliche Komödie um Männlein und Weiblein, welche gegensätzlicher nicht sein könnten. Der Film beinhaltet nette Gags, krankt jedoch, mittlerweile leider Genre-üblich, an einer schwachen Story. Filme dieser Art sind zwar ganz nett anzuschauen, können aber nicht wirklich begeistern. "Vergiss mein nicht!" ist jedoch ganz anders. Zwar ist die Grundidee von einem auf den ersten Blick unharmonischen Paar die gleiche - mehr aber auch nicht. Die Erzählweise der Story ist sympathisch, überraschend und vor allem wunderbar originell. Kitsch und Klischees werden gnadenlos verbannt und obendrauf bietet der Film ganz starke Schauspieler auf - endlich frischer Wind in diesem Genre.
Joel (Jim Carrey) beschreibt sich selbst als Langweiler. Sein Tagebuch hat ihn seit einer halben Ewigkeit nicht mehr zu Gesicht bekommen und mit seiner letzten Freundin ist es aus. Da trifft er plötzlich auf die lebensfroh wirkende Clementine (Kate Winslet). Zwischen den beiden scheint die Chemie eigentlich so überhaupt nicht zu stimmen, doch trotzdem entwickelt sich recht schnell zwischen ihnen eine engere Beziehung. Sie treffen sich ein paar Mal, finden schließlich zueinander und leben knapp zwei Jahre zusammen als Paar. Nach etwa einer Viertelstunde flimmert der sehr kurz gehaltene Vorspann über die Leinwand und der Film geht so richtig los. Es gibt einen heftigen Streit mit zunächst ungeahnten Folgen. Joel möchte seine Freundin, wie er annimmt, auf der Arbeit besuchen und sich für seine Äußerungen, die der Zuschauer erst später zu sehen bekommt, entschuldigen. Doch was ist das? Clementine küsst sich mit einem anderen und Joel scheint für sie ein absolut fremder Mensch zu sein.
Joel kann es kaum fassen und als er schließlich noch auf einem ominösen Zettel lesen muss, dass sich Clementine von einem speziellen Arzt ihre Erinnerungen hat löschen lassen, ist er mit den Nerven am Ende. Sofort stattet er Dr. Howard Mierzwiak (Tom Wilkinson) einen Besuch ab und lässt sich diese schockierenden Neuigkeiten bestätigen. Zwei wundervolle Jahre und Clementine kann sich an keine einzige mit Joel gemeinsame Sekunde mehr erinnern - für Joel bricht eine Welt zusammen. Er fasst recht schnell den Entschluss, es Clementine gleich zu tun und sich ebenfalls seine Erinnerungen an sie entfernen zu lassen. Sogleich beginnen des Docs Assistenten Patrick (Elijah Wood) und Stan (Mark Ruffalo) mit ihrer Arbeit. Eine Erinnerung nach der anderen wird aus Joels Gehirn entfernt, er gibt sich zunächst mit seinem selbstbestimmten Schicksal ab. Doch irgendwann ist er an dem Punkt angelangt, an dem ihm klar wird, dass er Clementine einfach nicht vergessen kann und will, sieht jedoch keine Möglichkeit, dies seiner Umwelt mitzuteilen. Gemeinsam flüchten die beiden in Joels Gedankenwelt vor der Zerstörung ihrer Vergangenheit und suchen nach einer Möglichkeit, sie doch irgendwie und irgendwo zu bewahren.
Schon nach wenigen Minuten sollte dem Zuschauer klar sein, dass es sich bei "Vergiss mein nicht1" um einen Film der etwas anderen Art handelt. Die Kamera "wirkt nervös" und fängt leicht verwackelte Bilder ein. Dies wirkt jedoch nicht störend und billig, sondern erfrischend anders. Der Zuschauer fühlt sich dadurch tiefer in die Handlung hineingezogen. Dies wird dadurch bestärkt, dass besonders die beiden Hauptcharaktere Joel und Clementine viel "menschlicher" und durchschnittlicher wirken als in vergleichbaren Filmen. Einerseits liegt das an diversen schauspielerischen Glanzleistungen, andererseits ist es ihr Aussehen, wie sie reden, wie sie handeln, allgemein wie diese Charaktere gezeichnet wurden. Am Beispiel der Bahnszene zu Beginn des Filmes kann man dessen Authentizität bestens beschreiben. Sie stellt den ersten Dialog zwischen Joel und Clementine dar und dürfte für Freunde des breiten Mainstreamkinos eine echte Überraschung und ein Novum in dieser Form bedeuten. Hier bekommt der Zuschauer mal etwas anderes zu sehen und wird sich darüber freuen - oder es zutiefst verurteilen, wenn die Schädigung durch die immer gleichen Dialoge aus anderen Filmen irreparabel ist.
Das waren viele nette Worte in Bezug auf Charaktere und Dialoge, doch wer diese erste halbe Stunde mag, wird die nächste Filmstunde unweigerlich lieben. Mit dem Sprung in Joels Gedankenwelt erreicht der Film einen einstündigen Höhepunkt. Das mit skurrilen, gnadenlos komischen und somit begeisternden Ideen bestückte Drehbuch, geschrieben von Charlie Kaufman, gehört mit Sicherheit zu den Besten und Einfallsreichsten der letzten Jahre. So etwas dürfte man in dieser Form lange nicht mehr gesehen haben. Hier ein paar Beispiele: Auf der Flucht vor der Zerstörung seiner Gedanken findet sich Joel in einem Alter von vier Jahren wieder. Die Größe passt, doch sitzt nach wie vor Carreys Kopf auf diesem Körper. Dies ist unglaublich komisch und wird nur durch das anschließende Bad in der Spüle getopt. Während des Löschvorganges verschwinden nach und nach Personen aus dem Bild. Entweder verschwinden sie wie eine Seifenblase, wenn sie zerplatzt, oder entfernen sich im übertragenen Sinne immer weiter von Joel, was durch verzerrte Toneffekte unterstrichen wird. Weitere schöne Ideen, wie ein Bett am Strand, Regen im Wohnzimmer oder die Stimmen der Assistenten, die wie aus dem Himmel erklingend, Joel in seiner Gedankenwelt heimsuchen, stellen bei Weitem noch nicht das gesamte Repertoire der Autoren dar. Die ausgezeichnete Umsetzung durch Regisseur Michel Gondry, der stets das passende Bild findet, setzt dem ganzen noch das i-Tüpfelchen auf. Einziger Kritikpunkt: Wenn in regelmäßigen Abständen die verrücktesten Ideen und Bilder auf den Zuschauer einprasseln, kann sich dieser schon fast davon erschlagen fühlen. Für 90 Minuten beste Kinounterhaltung sollte er dies jedoch "ertragen" können.
Doch nun zu einem ganz besonderen Mann: Jim Carrey. Was verbindet man mit diesem Namen? Filme wie "Der Dummschwätzer" und "Bruce Allmächtig" und somit einen Schauspieler, dessen Aufgabe in diesen Filmen darin lag, möglichst viele komische Grimassen zu schneiden? Wenn das der Fall ist, sollte man diese "Ausrutscher" schnellst möglich vergessen. Denn wer glaubt, dass Carrey zu Höherem nicht in der Lage ist, irrt gewaltig. Was er hier abliefert, überragt alles Bisherige in seiner Karriere und kann mit nichts anderem als einer grandiosen Leistung beschrieben werden. Carrey gelingt es überzeugend, den anfänglichen Langweiler Joel darzustellen, sowie seine Gefühle gegenüber Clementine und seinen verzweifelten Kampf um die schwindenden Erinnerungen zum Ausdruck zu bringen. Er zieht sofort die Sympathien des Zuschauers auf sich. Ein starker Schauspieler trägt einen starken Film.
Carrey stellt allerdings keinesfalls die einzige angenehme Überraschung dar. Kate Winslet, die weibliche Hauptdarstellerin, gelingt es ebenfalls, ihre Rolle der Clementine mehr als überzeugend zu spielen. Ebenso wie Jim Carrey fungiert sie von Beginn an als Sympathieträgerin. Sie spielt die lebensfrohe, witzige, muntere Clementine und der Zuschauer kauft es ihr ab. Überhaupt lässt sich sagen, dass man im Laufe des Filmes immer weniger das Gefühl hat, zwei überragende Hauptdarsteller auf der Leinwand zu sehen, als vielmehr zwei echte Personen. Herzlichen Glückwunsch zur Auswahl dieser Schauspieler. Die Nebendarsteller, darunter klangvolle Namen wie Kirsten Dunst, Elijah Wood, Mark Ruffalo und Tom Wilkinson, können aus ihren Rollen natürlich nicht so viel herausholen wie die Beiden eben Gelobten, spielen aber grundsolide und somit ebenfalls überzeugend.
Eine Frage stellt sich noch: Was genau ist "Vergiss mein nicht!" nun eigentlich? Natürlich steht die Beziehung zwischen Joel und Clementine im Vordergrund, wodurch eine Menge romantischer Szenen entstehen. Betrachtet man jedoch den ganzen Film, stellt er sich wohl eher als Komödie dar. Dialoge, Charaktere und besonders die verrückten Szenen aus Joels Gedankenwelt regen regelmäßig zum Lachen an. Genre-Fans sollten sich diesen Film auf keinen Fall entgehen lassen, dürfte es für sie doch vielleicht der Beste des Jahres sein. Empfehlenswert ist "Vergiss mein nicht!" vor allem wegen seiner starken Darsteller, sympathischen Charaktere, seines unglaublich genialen Drehbuchs mit massig verrückten und liebenswerten Ideen und natürlich seinem Humor, welcher nun wirklich nicht zu kurz kommt. Diesen Film sollte man mindestens einmal gesehen haben. Über die Qualität insgesamt kann vielleicht gestritten werden, die Kreativität von Charlie Kaufman scheint jedoch nahezu unbegrenzt.
Note: 1
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