World Trade Center
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Land: |
USA |
Laufzeit: |
129 Minuten |
FSK: |
12 |
Starttermin: |
28. September 2006 |
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Genre: Drama
Regie: |
Oliver Stone |
Drehbuch: |
Andrea Berloff |
Darsteller: |
Nicolas Cage, Michael Pena, Maggie Gyllenhaal, Maria Bello, Stephen Dorff, Jay Hernandez,
Michael Shannon, Brad Henke, Peter McRobbie, Frank Whaley, Wass M. Stevens |
Kamera: |
Seamus McGarvey |
Schnitt: |
David Brenner, Julie Monroe |
Musik: |
Craig Armstrong |
Ein Dienstag - klar. "Planet der Affen". Die Nachmittagsvorstellung im Filmpalast Leipzig. Auf der Rückfahrt im Auto war von einem mir bis dato unbekannten Gebäude die Rede, in das zwei Flugzeuge gerast sind. Mit wem ich im Kino gewesen bin, dass einer der Beiden direkt im Anschluss geäußert hat "Ich hasse solche Enden", wer wo im Auto gesessen hat - all das vergisst man nicht. Die Erinnerungen an diesen Tag, der die Welt nachhaltig verändert hat, mit all diesen unbedeutenden Einzelheiten wird wohl ein jeder mit ins Grab nehmen. Mehr als fünf Jahre sind seit dem Anschlag auf das World Trade Center nun schon vergangen. Ist die Welt nun also schon bereit für eine fiktive Verarbeitung dieser Geschehnisse, selbstverständlich beruhend auf einer wahren Begebenheit und Tatsachenberichten? "Es gibt diese Filme und deshalb ist es offensichtlich genau der richtige Zeitpunkt." (Nicolas Cage)
Die Uhr zeigt 3:29 am Morgen des 11. September 2001. Sergeant John McLoughlin (Nicolas Cage) wirft noch einen Blick auf seine Frau und seine schlafenden Kinder und begibt sich anschließend auf Arbeit. In den frühen Morgenstunden gibt New York ein friedliches Bild ab: der leicht Wolkenverhangene Himmel; die Skyline, in der die Twin Towers eingebettet sind; die reich bevölkerte Metro, in der sich zwei fremde Menschen über den Sieg der Lieblingsmannschaft vom Vortag freuen. Regisseur Oliver Stone wählt den perfekten Einstieg in sein mehr als zweistündiges Helden-Epos. Mit diesen Bildern zeigt er bewusst, dass niemand auch nur ansatzweise auf das sich in wenigen Stunden entfaltende Horror-Szenario eingestellt gewesen ist - weder Polizei, noch Durchschnittsbürger. Stone zeigt die Normalität und dem Zuschauer wird in Erwartung des Unausweichlichen flau im Magen.
Die Polizisten werden an diesem Tag mit dem Auftrag vertraut, ein vermisstes Mädchen zu finden, doch als 8.45 Uhr Ortszeit der rasende Schatten eines Flugzeugs die Häuserwand passiert und Sekunden später der Einschlag selbiges in den Nordturm des World Trade Centers vermeldet wird, ist diese Mission Geschichte. Auch in diesen Momenten erweist sich Stone als wahrhaftiger Meister seines Fachs. Auf die Bilder, die um die Welt gegangen sind, verzichtet er, wählt stattdessen die sensiblere Variante, deutet nur an. Hier ein Schatten, da Ohrenbetäubender Lärm. Jeder Mensch weiß, was soeben geschehen ist. Geschickt handhabt er den Einschlag der zweiten Maschine, denn davon "erfährt" der Zuschauer nur durch die Mundpropaganda der Polizisten auf dem Weg zum World Trade Center; zeigt gleichzeitig auch die Hilflosigkeit der Einsatzkräfte. Niemand wagte auch nur im Entferntesten an Terrorismus zu denken; vom Einschlag einer Sportmaschine war die Rede. Sogar gescherzt wurde noch, dass ihr wohl der Sprit ausgegangen sei. Und auch über den Zustand des Südturms herrscht lange Zeit Unklarheit. "Auf so etwas sind wir nicht vorbereitet." (Sergeant John McLoughlin)
Spätestens beim Eintreffen am Einsatzort weicht die Unklarheit jedoch dem Entsetzen. Beim Anblick zweier brennender Türme wird klar, dass hier ein gezielter Angriff stattgefunden hat, zumal die Meldung vom Absturz einer dritten Maschine ins Pentagon nun die Runde macht. Drei Polizisten melden sich freiwillig. Dazu bereit, gemeinsam mit McLoughlin ins Innere des World Trade Centers vorzudringen und bei der Evakuierung behilflich zu sein. Darunter auch Will Jimeno (Michael Pena), dessen Frau im fünften Monat schwanger ist, Tochter Nummer 2 erwartet. Die vier Helden schaffen es jedoch nicht einmal, direkt bis in einen der beiden Türme vorzudringen. In einer beängstigend inszenierten Sequenz stürzt der Nordturm in sich zusammen und begräbt eine Vielzahl von Menschen unter sich (von denen gerade einmal 20 lebend geborgen werden können). Natürlich verzichtet Stone auch hier auf die Außenansicht des kollabierenden Turms, sondern bleibt ganz nah bei seinen Figuren, denen Angst und Fassungslosigkeit gleichermaßen ins Gesicht geschrieben stehen. Nun sind 20 Minuten vergangen und "World Trade Center" befindet sich auf dem besten Weg zu einem großen Film. Nicht "reißerisch-Sensationsgeil", sondern "sensibel und zutiefst menschlich" wäre die passende Beschreibung für den bisherigen Stil des Regisseurs.
Für den enormen Qualitätsabfall, der sich dann aber durch die folgende Stunde zieht, stünden viele potentielle Erklärungen parat: übertriebenes Pathos; politische Meinungsmache mit dem Holzhammer; das Abhandenkommen von der eigentlichen Handlung - doch es ist nichts davon. Stattdessen gestaltet sich der Mittelteil ganz einfach ungemein zäh. Die unter den Trümmern begrabenen McLoughlin und Jimeno nehmen von nun an einen gewissen Platz ein, doch möchte sich das klaustrophobische Angstgefühl einfach nicht einstellen. Die anderen Szenen werden gefüllt von den Familien der Beiden, speziell den Frauen, doch wecken diese beim Zuschauer einfach keine Emotionen. Zu gefasst nehmen diese die Nachricht auf, dass das Schicksal ihrer Männer ungewiss ist. Ein tieferer Einblick in ihr Innenleben bleibt einfach aus. So erwischt man sich nun dabei, wie man sich so langsam nach dem Ende sehnt. Doch das wiederum ist Stone ganz ausgezeichnet gelungen.
Von dem Augenblick an, als die beiden Verschütteten entdeckt werden, wird das Geschehen doch noch einmal emotional. Die verzweifelten Bergungsversuche, die Erleichterung, die Freude, die ergreifende Musik - all das lässt nicht unberührt. Selbst die von der Presse oftmals gescholtene Figur eines Ex-Marine-Soldaten, der sich von Gott beauftragt fühlte, in den Trümmern des World Trade Centers nach Überlebenden zu suchen, ist nur halb so schlimm, zumal er - wie sämtliche Charaktere - auf einem realen Vorbild beruht. Darin spiegelt sich jedoch auch die überraschende politische Botschaft des Oliver Stone wieder. Gegen Ende ist von diesem Mann in einem Telefongespräch zu vernehmen, dass seine Mission noch nicht beendet sei. Im Abspann ist zu lesen, dass er sich anschließend für den Irak-Einsatz verpflichtet hat.
Wenn man über eine Stunde lang zwei Menschen zeigen möchte, die unter Trümmern begraben liegen und somit lediglich in ihrer Mimik Ausdruck finden, braucht man Schauspieler, die es ganz einfach drauf haben. Und Nicolas Cage, bereits Oscar-prämiert, und Michael Pena, Oscar-würdig in "L.A. Crash", haben es drauf. Wie besonders Cage nur mit Hilfe kleinster Gesichtsbewegungen seinen Emotionen Ausdruck verleiht, ist schlicht genial. Maggie Gyllenhaal darf sich als Wills Frau Alison auszeichnen, während die oftmals überschätze Maria Bello (in der Rolle von Johns Frau Donna) wieder einmal nicht überzeugt.
Trotz dieses außerordentlich langweiligen Mittelteils darf das Unternehmen "World Trade Center" als geglückt bezeichnet werden. Sicherlich ist es nicht der perfekte Unterhaltungsfilm geworden, doch war das wohl auch kaum die größte Absicht aller Beteiligten. Vielmehr sollte die gelungene Aufarbeitung (Auseinandersetzung wäre zu hoch gegriffen) dieses Themas in den Mittelpunkt gestellt werden. Oliver Stone verzichtet nahezu auf sämtliche politische Untertöne und setzt stattdessen den an diesem Tag ums Leben gekommenen Menschen ein Denkmal - so abgedroschen das auch klingen mag. Stone hat jede Menge Fingerspitzengefühl bewiesen, um den Balanceakt "sensible Rekapitulierung" zu meistern. Das Gefühl, mit dem man den Kinosaal verlässt, ist ein Gutes. Denn genau das hat Sergeant John McLoughlin an diesem Tag gesehen - das Gute. Obwohl er an diesem 11. September spielt, ist dieser Film ein Hoffnungsvoller. Und um es speziell auf die amerikanische Bevölkerung zu zuschneiden: Dies sei jenen Menschen, die unter der Panikmache und Sinnesvernebelung einer nicht tolerierbaren Regierung leiden, dann doch einmal gegönnt.
Note: 3+
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